Arbeitszeitanpassung in Spanien – Eine unbemerkte Maßnahme mit bemerkenswerten Folgen in der Pandemie

05.05.2020 - Patricia Rivera Almagro | Monika Bertram

Heimlich und auf leisen Sohlen wurde die Arbeitszeitanpassung eingeführt und ausgeweitet. Doch diese unbemerkte Maßnahme hat immense Auswirkungen.

Monika Bertram Abogada +34 91 319 96 86

Lediglich drei Tage nach Ausrufen des Alarmzustandes in Spanien auf Grundlage des Königlichen Dekrets 463/2020 vom 14. März, das Millionen von Spaniern zum Verbleib in ihren Wohnungen zwang, wurde die Arbeitszeitanpassung – weitgehend unbemerkt, jedoch mit weitreichenden Auswirkungen – eingeführt und ausgeweitet.

Diese „unschuldig“ wirkende Maßnahme ist unter dem Stichwort „Recht auf Arbeitszeitanpassung und -reduktion“ in Artikel 6 des Königlichen Gesetzesdekretes 8/2020 vom 17. März geregelt und erlaubt es Arbeitnehmern – auch denjenigen, die bereits von der Möglichkeit zur Anpassung Gebrauch gemacht haben – „die Anpassung ihrer Arbeitszeit und/oder ihre Reduktion zu beantragen, sofern außerordentliche Umstände im Zusammenhang mit den notwendigen Handlungen zur Verhinderung der Übertragung von COVID-19 vorliegen.“ Nach Ansicht des Gesetzgebers sind solche außerordentlichen Umstände anzunehmen, wenn

  1. die Anwesenheit des Angestellten für die persönliche und direkte Versorgung einer der in dem Gesetz genannten Personen – Ehegatte oder Lebenspartner und Blutsverwandte bis zum zweiten Grad – aufgrund von Alter, Krankheit oder Behinderung notwendig ist; und/oder
  2. auf Entscheidung von Regierungsstellen Bildungseinrichtungen oder Einrichtungen anderer Art geschlossen werden und diese darum die Versorgung und/oder Pflege von unterstützungsbedürftigen Personen einstellen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt in den genannten Einrichtungen aufgehalten haben; und/oder
  3. die Person, die bisher die Versorgung und/oder direkte Unterstützung des Ehegatten oder Verwandten (bis zum zweiten Grad) des Arbeitnehmers übernommen hat, diese aus berechtigten Gründen im Zusammenhang mit COVID-19 nicht weiter übernehmen kann.

Eine Einschränkung erfolgt jedoch durch den Gesetzgeber: Eine Arbeitszeitanpassung kann (vorübergehend, ausnahmsweise und nur für die Dauer der COVID-19 Pandemie) in Form eines Schichtwechsels, einer Änderung des Arbeitsplanes, flexibler Arbeitszeiten, Teilzeit oder durchgehender Schicht, eines Wechsels innerhalb des Arbeitszentrums, anderer Aufgaben, einer anderen Art der Leistungserbringung etc. erfolgen, sofern dies im Hinblick auf die betrieblichen Erfordernisse vernünftig und angemessen ist.

Wer jedoch glaubt, dass diese Maßnahme aufgrund der Fokussierung auf die zuvor nur wenig beachteten, mittlerweile jedoch berüchtigten „Verfahren zur Kurzarbeit aufgrund von höherer Gewalt“ (in Spanien: „ERTEs de fuerza mayor“) nach Artikel 47.3 und 51.7 des Arbeitnehmerstatuts von geringer Bedeutung ist, sollte beachten, dass der Gesetzgeber auch im Rahmen der Arbeitszeitanpassung auf das vorrangige Eilverfahren des Artikels 139 des Gesetzes 36/2011 vom 10. Oktober, zur Regelung der Sozialordnung, verwiesen hat.

Dieses Verfahren würde es den Arbeitnehmer ermöglichen, Klage gegen eine betriebliche Entscheidung vor den Arbeitsgerichten zu erheben, wobei den Parteien innerhalb von nur fünf Tagen ab Zulassung der Klage ein Anhörungstermin zugewiesen wird und innerhalb drei weiterer Tage ein Urteil ergeht. Gegen ein solches Urteil können weiterhin keine Rechtsmittel eingelegt werden, mit Ausnahme der gesetzlich geregelten Fälle. Vor dem Hintergrund des vorgenannten Königlichen Dekretes 463/2020 hat der spanische Allgemeine Rat der rechtsprechenden Gewalt (Consejo General del Poder Judicial, CGPJ) zwar bereits am 14. März 2020 die Aussetzung aller geplanten Gerichtshandlungen und die Hemmung aller Verfahrensfristen angekündigt. Ausgenommen sind jedoch im Hinblick auf die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit solche Verfahren, die das Gesetz als Eilverfahren einstuft. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass mögliche Auseinandersetzungen aufgrund der genannten Maßnahme zur Arbeitszeitanpassung gegen alle Widerstände verfolgt werden.

Im Hinblick auf die praktische Anwendung der Maßnahme hat sich der Gesetzgeber nicht allzu lange mit konkreten Vorgehensweisen aufgehalten: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen zu einer Übereinkunft kommen. Allerdings wird im Gegensatz zu der Gesetzesvorschrift, aufgrund derer die Arbeitszeitanpassung ursprünglich ins Leben gerufen wurde (Artikel 34.8 des Arbeitnehmerstatuts), nicht auf das in diesem Artikel festgelegte Verfahren verwiesen oder ein anderes Prozedere bestimmt. Aus diesem Grunde bleibt nur, die Regelungen des Art. 34.8 des Arbeitnehmerstatuts hilfsweise heranzuziehen.

Gerade dieses Verfahren sieht einen Aspekt von essentieller Bedeutung vor, auf den die Arbeitsgerichte Nr. 42 und 23 von Madrid in ihren Urteilen Nr. 268/2019 bzw. 494/2019 ausdrücklich hinweisen: die Verhandlung. An dieser Stelle „hapert“ es jedoch bei vielen Unternehmen.

Wird diesem Aspekt keine Beachtung geschenkt, besteht im Rahmen einer Gerichtsverhandlung das Risiko, dass die Argumente des Unternehmens nahezu unbeachtet bleiben und einzig die Begründetheit und Angemessenheit des Antrags des Arbeitnehmers in die Beurteilung einbezogen wird. Es ist gerade dieses Element der Verhandlung, das es unseren Gerichten gestattet, die Gründe des Arbeitgebers für die völlige oder teilweise Abweisung der Arbeitszeitanpassung zu bewerten. Neben dem in der Verhandlung mit dem Angestellten Dargelegten kann das Unternehmen im Rahmen eines Gerichtsverfahrens keine weiteren Gründe zur Ablehnung der Arbeitszeitanpassung vorbringen.

Es handelt sich also um eine deutliche Warnung der Arbeits- und Sozialgerichte an die Unternehmen, die insbesondere in Zeiten der Pandemie beherzigt werden sollten.

Monika Bertram
[email protected]
Abogada | Verantwortlich für den Bereich Arbeitsrecht
+34 91 319 96 86

Patricia Rivera Almagro
[email protected]

Abogada | Arbeitsrecht
+34 91 319 96 86