Neues spanisches Insolvenzgesetz endlich veröffentlicht

08.09.2022 - Michael Fries

Am 6. September 2022 wurde schließlich das neue Insolvenzgesetz verabschiedet, nachdem noch in der Sommerpause einzelne Änderungen des Senats diskutiert und abgelehnt worden waren. Der wesentliche Teil der Vorschriften tritt am 26. September 2022 in Kraft.

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Die bisherige Gesetzeslage wurde in diversen Aspekten reformiert. Die Vorinsolvenz (preconcurso) wurde im zweiten Buch komplett neu geregelt und es wurden neue Regelungen für das Insolvenzverfahren von Kleinstunternehmen im dritten Buch geschaffen. Ziel des spanischen Gesetzgebers ist es, das Insolvenzverfahren in Spanien zu straffen und die europäische Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz umzusetzen.

Zweck der Reform

Es handelt sich um eine lang erwartete Reform, da die von der Regierung beantragte einjährige Verlängerung der Umsetzungsfrist der EU-Richtlinie im Juli dieses Jahres ablief.

Mit der Reform sollen die wichtigsten Schwachstellen der bisherigen Gesetzeslage ausgebessert werden. Hierbei handelt es sich um die folgenden vier Bereiche: vorinsolvenzrechtliche Instrumente, zu späte Einleitung von Insolvenzverfahren, überlange Verfahrensdauer, die fast immer mit der Liquidation enden, und die geringe Nutzung des Verfahrens für eine Restschuldbefreiung.

Änderungen

Das erste Buch enthält die folgenden wesentlichen Änderungen:

  • Abschaffung des vorgezogenen Vorschlages für einen Insolvenzvergleich und Durchführung der Gläubigerversammlung im schriftlichen Verfahren. Außerdem wird die Möglichkeit eingeführt, den Insolvenzvergleich zu ändern und es wird die Prüfung der Geschäftsführerhaftung bereits in dieser Phase zugelassen.
  • Abschaffung von Liquidationsplänen in ihrer bisherigen Form.
  • Neuregelung der Masseverbindlichkeiten und des Mangels an Masse.
  • Neue Regeln für Insolvenzverfahren ohne Masse.
  • Konsolidierung der Rechtsprechung des spanischen Verfassungsgerichts zur Unternehmensnachfolge mittels Verkaufs einer Produktionseinheit im Insolvenzverfahren in Bezug auf die sachliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts.
  • Neuregelung des Insolvenzverwalters hinsichtlich Eignung, Vergütuing und Amtsdauer.
  • Regelung des Insolvenzrechtlichen „Pre-Pack“ fúr den Verkauf einer Produktionseinheit begleitet von einem unabhängigen Sachverständigen (experto independiente).
  • Neuregelung der Restschuldbefreiung für natürliche Personen. Vereinfachung des Verfahrens ohne die Notwendigkeit der Vermögensliquidation. Keine Restschuldbefreiung für Verbindlichkeiten gegenüber den Steuer- und Sozialversicherungsbehörden bis zu einem Betrag in Höhe von jeweils 10.000,- €. Verpflichtung der Schuldnerverzeichnisse auf Aktualisierung der Eintragungen bei Restschuldbefreiung des Schuldners.

Neues Vorinsolvenzverfahren: Restrukturierungspläne

Kernstück des neuen Vor-Konkurses sind die Restrukturierungspläne, die definiert werden als „eine Maßnahme in einem Stadium, das vor dem der derzeitigen vor-insolvenzrechtlichen Instrumente liegt, ohne dass das mit dem Konkurs verbundene Stigma erreicht wurde, was ihre Wirksamkeit erhöht. Ihre Einführung stellt eine radikale Änderung des zweiten Buches der des bisherigen Insolvenzgesetzes dar, das sich von den derzeitigen Refinanzierungsvereinbarungen und außergerichtlichen Zahlungsvereinbarungen verabschiedet.

Der Sanierungsexperte ist ebenfalls eine neue Figur im Insolvenzpanorama, dessen Bestellung in bestimmten Fällen in der EU-Richtlinie vorgesehen ist. Außerdem ist die Einführung des Begriffs der Insolvenzwahrscheinlichkeit (insolvencia probable) hervorzuheben, wenn objektiv vorhersehbar ist, dass der Schuldner bei Nichtzustandekommen eines Sanierungsplans nicht in der Lage sein wird, seinen in den nächsten zwei Jahren fälligen Verpflichtungen regelmäßig nachzukommen.

Bei der gerichtlichen Genehmigung dieser Pläne wird die Möglichkeit eingeführt, dass Gläubiger, die mehr als 50 % der betroffenen Verbindlichkeiten vertreten, eine vorherige fakultative gerichtliche Bestätigung der Gläubigerklassen beantragen können, wobei dieser neue Begriff der „Gläubigerklasse“ von wesentlicher Bedeutung ist. Wird der Plan von allen Gruppen von Gläubigern sowie vom Schuldner und seinen Gesellschaftern gebilligt, so wird der Nachweis des besten Interesses der Gläubiger als neuer Einspruchsgrund eingeführt. Wenn kein Konsens zwischen all diesen Akteuren zustande kommt, entscheidet sich der Text für die Regel des absoluten Vorrangs, eine der von der EU-Richtlinie vorgesehenen Möglichkeiten, nach der niemand mehr als das, was ihm geschuldet wird, und weniger als das, was ihm zusteht, einfordern kann.

Besonderes Verfahren für Kleinstunternehmen

Ein neues drittes Buch wird hinzugefügt, das dem Spezialverfahren für Kleinstunternehmen gewidmet ist, einem einzigartigen, speziell auf die Bedürfnisse dieser Unternehmen zugeschnittenen Insolvenzmechanismus, der sich durch eine maximale Verfahrensvereinfachung auszeichnet. Als Kleinstunternehmen im Sinne der Insolvenzreform gelten Unternehmen, die weniger als 10 Arbeitnehmer beschäftigen und einen Jahresumsatz von weniger als 700.000,- € oder Verbindlichkeiten von weniger als 350.000,- € haben. Für diese Unternehmen werden im Rahmen des Spezialverfahrens die laufenden Vorkonkurs- und Insolvenzverfahren zusammengefasst, so dass sie keinen Zugang zu Umstrukturierungsplänen haben.

Von besonderer Bedeutung sind die Fortführungspläne, die Insolvenzvergleichen gleichkommen, bei denen jedoch die Spielregeln geändert werden und der Grundsatz „wer schweigt, stimmt zu“ gilt, so dass „Gläubiger, keinen Gebrauch von ihrem Stimmrecht machen, als Befürworter des Plans angesehen werden“, womit die Beteiligung der Gläubiger an diesen Verfahren gefördert werden soll.

Für den Fall der Liquidation ist die Nutzung einer Liquidationsplattform vorgesehen, mit deren Entwicklung das Justizministerium betraut ist und die innerhalb von sechs Monaten fertiggestellt sein soll. In jedem Fall ist die Anwendung des Spezialverfahrens mit der Umsetzung dieser Plattform eng verbunden.

Handelt es sich bei dem Schuldner-Kleinstunternehmen um eine natürliche Person, so wird deren Recht auf Prozesskostenhilfe für alle Formalitäten des Spezialverfahrens ausdrücklich anerkannt. Für die Durchführung des Spezialverfahrens sind die Handelsgerichte sachlich zuständig, auch wenn es sich um natürliche Personen handelt.

Einsatz neuer Technologien

Neben der bereits erwähnten Abwicklungsplattform für Spezialinsolvenzverfahren sieht die Reform den Einsatz verschiedener weiterer neuer Technologien vor:

  • Ein Programm zur automatischen Berechnung des Zahlungsplans, das online und kostenlos zugänglich sein wird und verschiedene Simulationen eines Fortführungsplans enthält.
  • Vor dem Inkrafttreten des Dritten Buches sollen die amtlichen Formulare, die online und kostenlos zugänglich sein werden und für das Spezialverfahren für Kleinstunternehmen vorgesehen sind, eingeführt sein.
  • Schaffung eines Beratungsdienstes für kleine und mittlere Unternehmen in finanziellen Schwierigkeiten in einem frühen Stadium mit dem Ziel, eine Insolvenz zu verhindern. Dieser Dienst wird nur auf Wunsch der Unternehmen erbracht, ist vertraulich und würde den Unternehmen, die ihn in Anspruch nehmen, keinerlei Verpflichtungen auferlegen und auch keine Haftung der Dienstleister nach sich ziehen.
  • Website zur Selbstdiagnose der Unternehmenssituation, die es kleinen und mittleren Unternehmen ermöglicht, ihre Solvenz zu beurteilen.
  • Portal für Liquidationen im öffentlichen Insolvenzregister. Innerhalb von höchstens sechs Monaten nach Inkrafttreten der Reform: Aufnahme einer Liste der Unternehmen, die sich in Insolvenzabwicklung befinden mit allen für eine Veräußerung erforderlichen Informationen.

Übergangsvorschriften und Inkrafttreten

Mit Ausnahme des Dritten Buches und den Regelungen über die Stundung von Steuerschulden tritt das neue Insolvenzgesetz am 26. September 2022 in Kraft.

Darüber hinaus ist vorgesehen, dass für Insolvenzverfahren, die vor dem Inkrafttreten der Reform angemeldet wurden, die Bestimmungen des bisherigen Rechts gelten. Hiervon ausgenommen sind unter anderem der Bericht der Insolvenzverwaltung, Anfechtungsklagen, vorgeschlagene Insolvenzvergleiche oder Anträge auf Restschuldbefreiung.