Risiken von Versteigerungen ohne Bieter in Spanien

13.04.2021 - Marta Arroyo Vázquez

In diesen Artikel analysieren wir einen unserer letzten Fälle und die in diesem Zusammenhang aufgetauchte Problematik. Nach einem langen Vollstreckungsverfahren erreichten wir als Vollstreckungsgläubiger die Zwangsversteigerung des gepfändeten Vermögenswertes. Dabei handelte es sich um 50 % eines Grundstücks in Palma de Mallorca, mit einem Gesamtwert von 4 Mio. Euro, also 2 Mio. Euro für die ungeteilte Hälfte bei einem geltend gemachten Schuldbetrag von etwas mehr als 300.000 Euro (Hauptforderung, ordentliche Zinsen, Verzugszinsen sowie vorläufig berechnete Zinsen und Kosten der Vollstreckung).

Zwar gab es viele Interessenten für das Grundstück, allerdings war zwei Tage vor Ende der Frist für die Abgabe von Angeboten seitens der Bietenden lediglich ein einziges Angebot eingegangen, das zudem den Wert des Schuldbetrages nicht deckte. Angesichts dessen wurden wir darauf hingewiesen, dass bei Abschluss der Versteigerung ohne einen in Betracht kommenden Bieter das Gericht uns als Vollstreckungsgläubiger nach Artikel 671 der spanischen Zivilprozessordnung (Ley de Enjuiciamiento Civil, LEC) zur Zahlung von 50 % des Verkehrswertes der ungeteilten Hälfte – abzüglich des Schuldbetrages also ca. 700.000 Euro – auffordern würde, um die Aufhebung der Pfändung des Grundstücks zu verhindern.

Diese Sachlage ist so nicht im Artikel 671 LEC vorgesehen. Daher warnen wir nach Prüfung dieser Frage vor abweichenden Auslegungen, die zu bisher ungelösten Kontroversen führte.

Diese Kontroversen rühren aus der sogenannten „progressiven Spruchpraxis“ (doctrina progresiva) der Generaldirektion der Registerrichter und Notare (Dirección General de Registros y Notarios) her, die eine breite Auslegung der Vorschriften vornimmt, um eine schwere Benachteiligung des Schuldners/Verbrauchers durch ihren Wortlaut zu verhindern. Diese Auslegung wurde mit der Entscheidung der Generaldirektion vom 20. September 2017 (spanischer Staatsanzeiger BOE 16. Oktober 2017) begründet. Diese war die erste Entscheidung, die die Eintragung der Zuschlagserteilung eines mit einer Hypothek belasteten Grundstücks für weniger als 50 % ihres Wertes ablehnte und stattdessen eine Zuschlagserteilung bei einem Gebot i.H.v. mindestens besagten 50% des Wertes forderte. Das damalige Grundstück war Gegenstand einer Versteigerung ohne Bietende gewesen und es handelte sich dabei nicht um den gewöhnlichen Wohnsitz des Schuldners. Diese progressive Spruchpraxis wurde in späteren Entscheidungen bestätigt und geht von einer gemeinsamen, systematischen Auslegung der Artikel 651 und 671 LEC aus, sodass die bei beweglichen Vermögenswerten bestehende Beschränkung bei der Zuschlagserteilung – in Analogie – auch auf unbewegliche Vermögenswerte Anwendung finden müsste.

Diese Auslegung steht jedoch in einem deutlichen Widerspruch zur klassischen Rechtsprechung des spanischen obersten Gerichtshofes (Tribunal Supremo): Dieser ist der Auffassung, dass keine gesetzmäßig vorgenommene Zuschlagserteilung bei Anwendung einer Gesetzesvorschrift zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Zuschlagsempfängers führen darf, und dies unabhängig davon, ob die Zuschlagserteilung für einen niedrigen oder geringen Betrag erfolgt. Unbeschadet dieser Rechtsprechung des obersten Gerichtshofs gibt es mittlerweile mehrere Gerichtsurteile, die der Auslegung der Generaldirektion der Registerrichter und Notare folgen, z. B. das Urteil Nr. 296/2018 des Gerichts erster Instanz Nr. 21 von Sevilla, das am 26. Dezember 2018 in der mündlichen Verhandlung 729/2018 ergangen ist.

Obgleich in unserem Fall die Versteigerung aufgehoben wurde, da der Vollstreckungsschuldner einen Tag vor Ende der Frist für die Abgabe der Angebote den Gesamtbetrag der Hauptforderung hinterlegte, halten wir den Hinweis auf diese aus unserer Sicht flagrante Rechtsunsicherheit, die aus einer uneinheitlichen diesbezüglichen Rechtsprechung herrührt, für bedeutend, da sie für den Vollstreckungsgläubiger mit einer nicht zu vernachlässigenden finanziellen Auswirkung verbunden sein kann, wenn sich dieser gezwungen sieht, einen erheblichen Betrag einzuzahlen, um die Aufhebung der Pfändung auf dem Vermögenswert zu verhindern, der Gegenstand der Versteigerung ohne Bieter war.

Somit kann die uneinheitliche Auslegung des Artikels 671 LEC, wie wir hier gesehen haben, dazu führen, dass das Gericht sich für die Anwendung der progressiven Spruchpraxis der Generaldirektion für Registerrichter und Notare entscheidet. Sollte es im Rahmen einer Versteigerung keinen Bieter geben, würde sich der Vollstreckungsgläubiger dann in einer Situation wiederfinden, in der er die Befugnis der Zuschlagserteilung des versteigerungsgegenständlichen Vermögenswertes nutzen müsste, weshalb von ihm die 50 % des Wertes gefordert würden, zu dem der Vermögenswert in der Versteigerung aufgerufen worden wäre. Vor dem Hintergrund dieser Möglichkeit halten wir eine sorgsame Prüfung der zu versteigernden Vermögenswerte des Vollstreckungsschuldners für ratsam, da der Vollstreckungsgläubiger ggf. eine erhebliche Zahlung leisten muss, wenn die Differenz zwischen Schuldbetrag und Verkehrswert der Immobilie nicht unwesentlich ist.