Zwingender Rechtsbeistand in der Streitbeilegung
Einer der wichtigsten Aspekte dieser Reform ist in Artikel 6 des Gesetzes 1/2025 geregelt. Danach können die Parteien grundsätzlich verschiedene Mechanismen der Streitbeilegung in Anspruch nehmen, mit einer wesentlichen Einschränkung: Wird das verbindliche Angebot als Streitbeilegungsmechanismus gewählt, ist die anwaltliche Begleitung mit wenigen Ausnahmen zwingend vorgeschrieben. Dieser Anwaltszwang gilt insbesondere nicht bei geringwertigen Streitsachen (< 2.000 Euro Streitwert) oder wenn eine sektoriale Regelung eine Beteiligung ohne Anwalt gestattet.
Diese Änderung unterstreicht die Auffassung, dass die Einschaltung eines Juristen im Beilegungsverfahren mit verbindlichem Angebot wesentlich ist, um sicherzustellen, dass beide Parteien die rechtlichen Auswirkungen ihrer Entscheidungen vollständig verstehen. Mit diesem Streitbeilegungsmechanismus soll die Arbeitsbelastung der Gerichte verringert und so die Bearbeitung von Gerichtsverfahren beschleunigt werden, während gleichzeitig die Rechte der Parteien gewahrt werden.
Das verbindliche Angebot: Voraussetzungen und Fristen der Zustellung
Artikel 17 des Gesetzes 1/2025 regelt das verbindliche Angebot und unterstreicht dessen Bedeutung als formalem Verfahrensschritt. Sowohl das Angebot als auch seine Annahme müssen in einer Form erfolgen bzw. übermittelt werden, die eine Dokumentierung der Identität des das Angebot Unterbreitenden und ihre effektive Zustellung (samt Zustellungsdatum) ermöglicht. Mit dieser Voraussetzung sollen die Transparenz des Verfahrens sichergestellt und Streitigkeiten über die Gültigkeit der Mitteilungen vermieden werden.
Artikel 17 legt zudem eine klare Frist für die Annahme oder Ablehnung des verbindlichen Angebots fest. Nimmt der Empfänger das Angebot nicht innerhalb einer Frist von höchstens einem Monat oder einer ggf. von dem Unterbreiter festgelegten längeren Frist an, wird das Angebot automatisch unwirksam. Dadurch kann die Partei, die das Angebot unterbreitet hat, bei Ablehnung des Angebots oder Ausbleiben jeglicher Reaktion das zuständige Gericht anrufen, um die Streitigkeit beizulegen. Die Voraussetzung der Zulässigkeit gilt dabei mit dem Nachweis des Versands und der Zustellung des Angebots als erfüllt. Ein Nachweis seines Inhalts ist hingegen nicht erforderlich.
Vertraulichkeit im Verhandlungsprozess
Wenig überraschend ist ein weiterer wesentlicher Aspekt der Reform: die Vertraulichkeit der Verhandlungen. Artikel 9 des Gesetzes 1/2025 stuft die Verhandlungen als Ganzes sowie alle in diesem Zusammenhang verwendeten Unterlagen als vertraulich ein. Die Verschwiegenheitspflicht erstreckt sich auf die beteiligten Parteien, ihre Rechtsbestände sowie alle neutralen Personen, die an dem Verfahren ggf. beteiligt sind. Neben der Vertraulichkeit der Verhandlungen soll damit sichergestellt werden, dass keine der Parteien die im Rahmen des Verfahrens erhaltenen Informationen zum Schaden der anderen Partei in einem künftigen Gerichts- oder Schiedsverfahren nutzen kann.
Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. z. B. wenn alle Parteien dieser Offenlegung ausdrücklich zustimmen oder wenn diese Informationen in bestimmten Gerichtsverfahren, wie der Anfechtung von Verfahrenskosten, erforderlich sind. Darüber hinaus können Richter in Strafsachen in bestimmten Fällen auch vertrauliche Informationen anfordern, und die Offenlegung vertraulicher Informationen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder zum Schutz des Kindeswohls oder der körperlichen oder geistigen Unversehrtheit einer Person erforderlich sein.
Eine Verletzung dieser Verschwiegenheitspflicht durch unrechtmäßige Offenlegung oder Bereitstellung von Dokumenten, unbeschadet einer möglichen Haftung aufgrund dieses Verstoßes, resultiert in der Unzulässigkeit des jeweiligen Beweismittels im Verfahren und ggf. der richterlichen Anordnung, dass diese Dokumente nicht zu den Verfahrensakten genommen und damit nicht Teil des Verfahrens werden.
Fazit: ein Schritt Richtung einer effizienteren Justiz in Spanien
Die Reform des spanischen Verfahrensrechts, die im Wege des Organgesetzes 1/2025 erlassen wurde, stellt einen bedeutenden Fortschritt auf dem Weg zu einer effizienteren und zugänglicheren Justiz dar. Mit der Einführung des verbindlichen Angebots soll nicht nur das Gerichtsverfahren beschleunigt werden, sondern den Parteien auch ein Mechanismus zur Streitbeilegung angeboten werden, der die Verhandlung und Schlichtung fördert, bevor der Weg zu den Gerichten beschritten wird.
Gleichzeitig wird nicht nur der Gläubiger zur Unterbreitung eines (verbindlichen) Angebotes zur außergerichtlichen Beilegung des Streits verpflichtet, sondern auch von dem Schuldner eine klare Bereitschaft zur außergerichtlichen Zahlung und Lösung erwartet, um die Austragung des Rechtsstreits vor Gericht zu vermeiden. In diesem Zusammenhang nimmt das Gesetz Bezug auf den Begriff des Justizmissbrauchs (abuso del servicio público de Justicia). Hätte sich z.B. der unterlegene Beklagte im Rahmen der außergerichtlichen Verhandlungen geweigert die Schuld zu begleichen, können ihm höhere Verfahrenskosten auferlegt werden, wenngleich die Entscheidung letztlich im Ermessen des Rechtspflegers liegt. Diese Reform ist zweifellos ein Schritt in Richtung einer größeren Effizienz und Transparenz der spanischen Justiz, auch wenn ihre wirksame Umsetzung von der entsprechenden Schulung und Anpassung aller Akteure der Justiz abhängen wird.