„Neuartiges“ Metaversum stellt Unternehmen vor rechtliche Herausforderungen

Veröffentlicht am 08.03.2023

Technologie, das sind alle Werkzeuge, die Menschen Aufgaben erleichtern. Dank der digitalen Revolution, die das Internet angestoßen hat, sehen wir beinahe täglich mutmaßlich disruptive technologische Neuerungen, die unsere Gesellschaft erbeben lassen und die uns die Lösung all unserer Probleme versprechen.

Eine dieser mutmaßlichen Neuerungen sind die sogenannten Metaversen. Sie haben richtig gelesen, Metaversen, denn es gibt nicht nur eines, sondern viele. Das Konzept des Metaversums (hauptsächlich das Metaversum des Facebook-Konzerns Meta) ist in aller Munde als neuste Revolution, die wir nicht verpassen dürfen. Alle sollen auf diesen Zug aufspringen, aber: there is nothing new under the sun.

Der Begriff Metaversum entstammt dem Roman Snow Crash von Neal Stephenson und bezeichnet einen digitalen Raum, in dem Avatare auftreten. In diesem Raum sollen Menschen aus allen Teilen der Welt zusammenkommen und miteinander interagieren können, ganz so als träfen sie sich im echten Leben. Immerwährend und unendlich groß, verwirklicht dieser digitale Raum die virtuelle Wirklichkeit. Er soll Beziehungen zwischen Menschen neu erfinden und ein dreidimensionales, mit allen Sinnen wahrnehmbares Internet werden.

Die Idee des Metaversums ist jedoch nicht neu. Seit Jahren gibt es solche virtuellen Welten, in denen Nutzer miteinander verbunden sind und sozial und wirtschaftlich über Avatare interagieren. Diese virtuellen Welten nannten wir Videospiele.

Das Metaversum ist nicht neu, aber die aktuelle Situation bringt es uns erneut nahe

Warum also gerade jetzt die Aufregung? Zum einen macht es nun die Technologie möglich, aber der eigentliche Auslöser war die Coronapandemie, die den Umgang der Menschen miteinander verändert hat. Die Pandemie hat die Digitalisierung beschleunigt (Stichwort: Homeoffice), zu einem exponentiellen Anstieg an Online-Käufen geführt und immer mehr Menschen zu Fans sogenannter E-Sports gemacht.

Befürworter bringen vor, dass im Metaversum alles möglich ist (Geschäfte, Unterhaltung, soziale Interaktionen, etc.), aber auf einer höheren Nutzerebene, da man durch den Avatar Erfahrungen machen kann, bei denen die echte Welt mit der virtuellen Welt verschmilzt.

Weniger klar bleibt jedoch, wie wir mit diesen Avataren leben und fühlen können, wie wir es in unserem Alltag tun. Derzeit wird viel investiert und beworben, allerdings sind Technologien immer auch auf andere, unterstützende Technologien angewiesen. 5G wird einen Beitrag leisten, aber nicht für eine 100% immersive Welt sorgen, in der wir agieren können wie in der Wirklichkeit. Es müsste Technologien wie virtuelle Kontaktlinsen oder Elemente geschaffen werden, die eine Wahrnehmung mit allen Sinnen ermöglichen. Genau dies ist der entscheidende Punkt, nicht nur sehen, sondern mit allen Sinnen erleben.

Ob sich das Metaversum etabliert oder nur eine Modeerscheinung bleibt, wie andere technologische Erfindungen, wird sich zeigen, denn es gab bereits Metaversen, die zu Misserfolgen wurden, wie bspw. Second Life.

Rechtliche Überlegungen zum Metaversum und seinen Auswirkungen auf Unternehmen

Welche rechtlichen Überlegungen sind relevant und wie kann dieses neue Szenario mein Unternehmen beeinflussen? An diesem Punkt muss darauf hingewiesen werden, dass diese virtuellen Welten eine eigene Wirtschaft und in der Regel eine eigene Währung haben. Unternehmen müssen also für sich entscheiden, ob sie in ein bestehendes Metaversum einsteigen, ein eigenes erschaffen oder Non-Fungible Token (NFT) ihrer Produkte erstellen wollen.

Dass der Gesetzgeber stets der Technologie hinterherhinkt, hat jeder schon einmal gehört, aber hier entspricht unsere rechtliche Einschätzung der der EU-Kommission: Das Metaversum an sich sollte nicht geregelt werden. Das Recht regelt Situationen und ihre Folgen, nicht jedoch konkrete Szenarien. Vielmehr muss das geltende Recht durch Analogie ausgelegt werden. Auch sind das Metaversum und NFT – zumindest aus rechtlicher Sicht – längst nicht so disruptiv wie einige annehmen, da virtuelle Welten und digitale Objekte bereits auf mehr als zwei Jahrzehnte Geschichte zurückblicken.

Allerdings bringen diese Metaversen zahlreiche Herausforderungen mit sich, sowohl gesellschaftliche (z.B. Suchtthemen oder Fragen der ökologischen Nachhaltigkeit) als auch rechtliche. Diese rechtlichen Herausforderungen erfassen aufgrund der mannigfaltigen Auswirkungen von Metaversen praktische alle Rechtsgebiete: z.B. im Gesellschaftsrecht Fragen der Gründung von Unternehmen im Metaversum, im Steuerrecht der Besteuerung und Geldwäsche, im Strafrecht die Themen sexuelle Belästigung, Drohung, Beleidigung, Verleumdung und im Zivilrecht Fragen des Eigentums an geschaffenen Gütern.

Auch in den Bereichen gewerblicher Rechtsschutz und Datenschutz tritt gerade eine Vielzahl an Problemen zu Tage, wenngleich sich dabei auch Chancen ergeben (Patente zum Schutz von Technologien, die das Funktionieren des Metaversums erst ermöglichen oder es immersiver machen, der Schutz von Marken zur Nutzung im Metaversum oder ihr Schutz innerhalb des Metaversums, etc.).

Ein Nährboden für Verletzungen gewerblicher Schutzrechte

Die gleichen Eigenschaften, die das Metaversum für Nutzer attraktiv machen (Anonymität und eine fehlende zentrale Regierungsbehörde), können aus Sicht von Inhabern von Marken und Geschmacksmustern gleichzeitig für eine flächendeckende Verletzung gewerblicher Schutzrechte sorgen.

Das Hauptproblem ist das gleiche wie bisher: die Territorialität. Gewerbliche Schutzrechte werden nur in den Ländern geschützt, in denen sie angemeldet wurden, was in einem spannungsvollen Kontrast zur globalen Natur des Internets und somit des Metaversums steht. Zusammen mit der Anonymität des Metaversums ergibt sich damit als wichtigste Herausforderung, festzustellen, wer verantwortlich ist, wo sich diese Person befindet und wo ein Verfahren gegen sie angestrengt werden kann.

Das bedeutet nicht, dass gegen die Täter nicht vorgegangen werden sollte oder nichts getan werden kann. Ganz im Gegenteil. Inhaber von Marken müssen ihre Rechte gegenüber derartigen Verletzungen verteidigen, denn täten sie dies nicht, würden diese Handlungen stillschweigend legitimiert und sich dadurch wahrscheinlich eine regelrechte Sogwirkung entwickeln.

In diesem Sinne sind bereits einige Marken zum proaktiven Gegenangriff übergegangen. Nike reichte beispielsweise Klage gegen StockX mit der Begründung ein, dass die von letzterer über das Metaversum als NFT verkauften virtuellen Schuhe die gewerblichen Schutzrechte von Nike verletze. Hermès klagte gegen Mason Rothschild und brachte vor, dass die MetaBirkins eine Verletzung gegen ihre bekannte Taschenmarke Birkin darstelle.

Gleichsam muss sich noch zeigen was mit gewerblichen Schutzrechten außerhalb des Metaversums passiert, da unklar ist, wie diese gewerblichen Schutzrechte aus dem Metaversum mitgenommen werden können, wie außerhalb des Metaversums dafür gesorgt werden kann, dass diese nicht ohne Zustimmung von Dritten genutzt werden können oder wie die Täter im Falle von Verletzungen verfolgt werden können.

Nicht zu vergessen: Privatsphäre, Minderjährige, Haftung …

Eine Nutzung des Metaversums kann zu einem tieferen Eindringen in die Privatsphäre der Menschen führen, da diese virtuelle Umgebung seit ihrer Entwicklung vollständig datafiziert ist und die Verarbeitung eines sehr breiten Spektrums an Informationen zu Vorlieben und Merkmalen der Nutzer gestattet.

Da das Metaversum zusätzliche Elemente (wearables wie neuronale Sensoren oder entsprechende Anzüge, etc.) erfordert, um tatsächlich attraktiv zu sein, werden diese zusätzlichen Elemente eine kritische Rolle spielen und neue Datenklassen erfordern (Avatare identifizieren oder machen eine Person identifizierbar, neue biometrische Daten, etc.). Individuen können aufgrund der Schwächen dieser wearables zu Objekten von massiver Überwachung, Diskriminierung, Betrug oder Identitätsdiebstahl werden.

Diese Aspekte sind besonders zu beachten, wenn derartige Technologien und wearables von Minderjährigen genutzt werden, weil sie einem besonderen Schutz unterliegen und wir nicht wissen, bis zu welchem Punkt die einschlägigen Anforderungen an Verarbeitung derartiger Daten und Sicherheit dieser Systeme gegen Angriffe erfüllt werden.

Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit Angriffen wird die Feststellung der Haftung sein. Dies liegt daran, dass das Metaversum ein dezentralisiertes Netzwerk erfordert, über das unendlich viele Daten gespeichert und verteilt werden. Wer haftet jedoch bei Sicherheitslücken in einem dezentralisierten Rechnernetzwerk. Who knows?

Wie sich die unterschiedlichen Metaversen in all ihren Aspekten entwickeln werden, wird sich zeigen und dann werden wir auch wissen, ob es sich dabei wirklich um die Zukunft handelt, die man uns allen verkaufen will, oder um eine Anwendung unter vielen auf unseren Rechnern, die nur hin und wieder genutzt wird.