Einleitung
In Spanien wurde am 2. Januar 2025 in Spanien das Organgesetz 1/2025 (Ley Orgánica 1/2025, de medidas en materia de eficiencia del Servicio Público de Justicia) verabschiedet, das ein Reformpaket für mehr Effizienz in der Justiz vorsieht. Am 3. April 2025 trat es in Kraft. Das Maßnahmenpaket sieht u.a. die obligatorische Nutzung alternativer Streitbeilegungsmechanismen vor Einreichung einer Klage bei Gericht vor und führt daher zu einer Änderung der Regelung zur Auferlegung der Verfahrenskosten in Erkenntnisverfahren.
Bisher richtete sich die Auferlegung der Verfahrenskosten ausschließlich nach Ergebnis des Verfahrens, außer in Fällen, in denen Tatsachen- oder Rechtszweifel bestanden oder leichtfertiger Justizmissbrauch (temeridad) vorlag. Mit der neuen Regelung wird ein neues Kriterium für die Festsetzung der Verfahrenskosten eingeführt: Die Teilnahme an einem obligatorischen bzw. angeordneten Streitbeilegungsverfahren ist entscheidend dafür, ob die obsiegende Verfahrenspartei auch von einem Kostenurteil zu Lasten der unterliegenden Partei profitieren kann.
I. Alternative Streitbeilegung und vollumfängliche Stattgabe der Klage
Die Neufassung des Artikel 394.1 der spanischen Zivilprozessordnung (Ley de Enjuiciamiento Civil, LEC) behält zunächst das alte Kriterium der Auferlegung der Verfahrenskosten zu Lasten der Partei bei, deren Ansprüche zurückgewiesen wurden, das Kostenurteil geht damit zu Gunsten der obsiegenden Partei. Die Neuerung besteht nun darin, dass keine Kostenentscheidung zugunsten der obsiegenden Partei ergeht, wenn sich diese in den gesetzlich vorgeschrieben Fällen oder auf Anordnung des Richters oder Rechtspflegers (letrado de la administración de justicia) grundlos, ausdrücklich oder stillschweigend weigert, an dem vorgeschriebenen oder angeordneten alternativen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen. Ausschlaggebend für das Kostenurteil ist die Teilnahme an einem alternativen Streitbeilegungsverfahren, nicht jedoch das Erreichen eines bestimmten Ergebnisses.
Dies gilt auch, wenn die Parteien Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben. So würde der Kläger bei Abweisung ihrer Ansprüche nicht zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt, wenn der Beklagte die Aufnahme von Verhandlungen vor dem Gerichtsverfahren verweigerte und kein Missbrauch der Justiz vorläge (Artikel 394.4 LEC).
II. Alternative Streitbeilegung und Teilstattgabe der Klage
Bei Teilstattgabe (bzw. Teilabweisung) der Ansprüche hat gemäß Artikel 394.2 LEC jede Partei für die ihr entstandenen Verfahrenskosten sowie für die Hälfte der gemeinsamen Verfahrenskosten aufzukommen, es sei denn, eine Partei hat leichtfertig zum Missbrauch der Justiz gehandelt. Hat jedoch eine Partei an dem gesetzlich vorgeschriebenen oder richterlich angeordneten alternativen Streitbeilegungsverfahren nicht teilgenommen, kann sie kraft einer begründeten Entscheidung zur vollständigen Zahlung der Verfahrenskosten verurteilt werden, auch wenn das Urteil teilweise zu ihren Gunsten ausfiel. Diese Entscheidung liegt im Ermessen des Rechtspflegers.
III. Alternative Streitbeilegung und Prozesskostenhilfe
Ferner nimmt die Neufassung des Artikel 394.3 LEC eine Pflicht für Pflichtverteidiger und -prozessagenten auf, die inhaltlich bereits in Artikel 36.5 des Gesetzes zur Prozesskostenhilfe (Ley de Asistencia Jurídica Gratuita) geregelt ist. Nimmt die Partei, die nicht zur Zahlung der Verfahrenskosten verurteilt wurde, Prozesskostenhilfe in Anspruch, sind diesen Rechtsbeiständen in einem ersten Schritt die Kosten zu zahlen. Diese müssen jedoch dann die Beträge zurückzuzahlen, die sie gegebenenfalls zuvor aus öffentlichen Mitteln für ihre Beteiligung am Verfahren erhalten haben. Zu diesem Zweck teilt die Geschäftsstelle den entsprechenden Rechtsanwalts- und Prozessagentenkammern diesen Umstand mit.
IV. Alternative Streitbeilegung und Klageanerkenntnis
Nach Artikel 395 LEC werden der unterliegenden Partei keine Verfahrenskosten auferlegt, wenn sie die Klageansprüche anerkennt, es sei denn sie handelt dabei bösgläubig. Diese Regelung ist an sich nicht neu, der hinzugefügte dritte Absatz allerdings schon. Danach gilt als bösgläubige Handlung die Weigerung der Beklagten, an einem alternativen Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen, das gesetzlich vorgeschrieben oder richterlich angeordnet wurde. Erkennt sie später die Klageansprüche an, würde sie daher trotz der Anerkenntnis zur Kostenübernahme verurteilt, es sei denn, nach Auffassung des Gerichts sprechen außerordentliche Gründe dagegen.
V. Abstandnahme
Hinsichtlich der Kostenübernahme im Falle der Verfahrenseinstellung aufgrund von Abstandnahme, sieht das Gesetz 1/2025 keine Neuerungen gegenüber der früheren Regelung vor: Der Abstand nehmende Kläger wird zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt, es ei denn diese Abstandnahme erforderte die Zustimmung des Beklagten (Artikel 396.1 LEC).
VI. Kostenbegrenzung und unbestimmte Forderungen
Eine Neuerung erfasst die Kostenfestsetzung. So ist der Höchstbetrag der Verfahrenskosten, die die unterlegene Partei tragen muss, nach wie vor auf ein Drittel des Streitwerts pro von der Entscheidung begünstigte Partei begrenzt. Allerdings erhöht sich der in diesem Zusammenhang zu Grunde gelegte Streitwert bei nicht bezifferbaren Forderungen von 18.000 Euro auf 24.000 Euro, sofern das Gericht aufgrund der Komplexität der Angelegenheit nichts anderes bestimmt (Artikel 394.3 LEC).
VII. Schlussfolgerung
Das Gesetz 1/2025 nimmt somit wesentliche Änderungen an der Regelung der Verfahrenskosten vor, indem es die Teilnahme an alternativen Streitbeilegungsverfahren direkt mit der Möglichkeit verknüpft, dass die obsiegende Partei von einem Kostenurteil zu Lasten der anderen Partei profitiert. Damit soll ein Anreiz für die außergerichtliche Streitbeilegung vor Anrufung der Gerichte geschaffen werden, indem die grundlose Verweigerung der Teilnahme abgestraft wird, selbst wenn die Partei den Rechtsstreit gewonnen hat. Die neue Regelung unterstreicht die Vorstellung, dass Rechtsstreitigkeiten nicht gerichtlich beigelegt werden müssen, sondern dass sie auch durch eine vorherige gütliche Einigung gelöst werden können. Und sie straft diejenigen ab, die sich nicht an alternativen Streitbeilegungsverfahren beteiligen wollen, indem es ihnen den Zugang zu einem wesentlichen Vorteil des spanischen Verfahrensrechts verwehrt, der Übernahme der Verfahrenskosten.
Lucas de León-Sotelo Fuentes
Abogado
[email protected]