Die Behandlung dinglicher Kreditsicherheiten, insbesondere Hypotheken, im Rahmen des spanischen Konkursverfahrens

Veröffentlicht am 28.10.2014

Der spanische Gesetzgeber hat am 7. März sowie am 5. und 30. September 2014 sukzessive Änderungen des spanischen Konkursgesetzes (Ley Concursal, im folgenden LC) beschlossen. Diese Änderungen verfolgen in erster Linie das Ziel, angeschlagenen spanischen Unternehmen eine Refinanzierung mit ihren Banken zu ermöglichen.

Stefan Meyer Abogado & Rechtsanwalt +34 91 319 96 86

Einleitung 

Die Behandlung von Hypotheken und dinglichen Kreditsicherheiten im Rahmen eines spanischen Konkursverfahrens hat im Zuge dieser Gesetzesreformen ebenfalls Änderungen erfahren. Diese sollen im folgenden kurz dargestellt werden. Sie betreffen folgende Bereiche: 

  • Refinanzierungsverhandlungen des Schuldners im Vorfeld eines Konkursverfahrens 
  • Aussetzung der Hypothekenvollstreckung bzw. der Vollstreckung anderer dinglicher Sicherheiten bei Eröffnung des Konkursverfahrens 
  • Die Berechnung des „Wertes“ dinglicher Sicherheiten im Rahmen von außergerichtlichen Refinanzierungsvereinbarungen und Konkursvergleichen
  •  Die Übertragung von funktionierenden Produktions- oder Betriebseinheiten

 Die im März und September beschlossenen Änderungen sind jeweils bereits am folgenden Tage im spanischen Staatsanzeiger (BOE) veröffentlicht worden und in Kraft getreten.  

Refinanzierungsverhandlungen im Vorfeld eines Konkursverfahrens (Art. 5 bis LC) 

Ein zahlungsunfähiger Schuldner hat nach spanischem Konkursrecht die Möglichkeit, innerhalb der 2-monatigen Konkursantragsfrist dem zuständigen Gericht gegenüber anzuzeigen, dass er Refinanzierungsverhandlungen mit seinen Banken aufgenommen hat. Erfolgt eine solche förmliche Anzeige, hat diese ab sofort folgende Wirkungen: 

  1. Die Konkursantragspflicht wird auf einen Zeitraum von maximal 6 Monaten ausgeweitet (2 Monate ursprüngliche Antragsfrist + 3 Monate Refinanzierungs-verhandlungen + 1 Monat neue Antragsfrist).
  2. Vollstreckungen in Rechte oder Güter, die für die Unternehmungsfortführung „notwendig“ sind (etwa Fabrikgebäude, Produktionsmaschinen, etc.), können während dieser Frist nicht eingeleitet werden.
  3. Bereits eingeleitete Zwangsvollstreckungen in Rechte oder Güter, die für die Unternehmensfortführung „notwendig“ sind, werden während dieser Frist ausgesetzt. Die Aussetzung gilt ab dem Zeitpunkt der förmlichen Bekanntgabe der Schuldneranzeige durch den Gerichtssekretär.
  4. Ebenso können keine Einzelzwangsvollstreckungen eingeleitet werden bzw. sind auszusetzen, wenn wenigstens 51 % der Gläubiger von Finanzierungsverbindlichkeiten einer Refinanzierungsverhandlung zugestimmt haben.
  5. Spezielle Klagen zur Realisierung dinglicher Kreditsicherheiten (sog. „acción real“), die auf die Vollstreckung von zur Unternehmensfortführung „notwendigen“ Vermögensgegenständen gerichtet sind, können zwar grundsätzlich eingereicht werden, sind aber auch vorübergehend während des Laufes der vorgenannten Fristen (oben 1.) auszusetzen.
  6.  Ausgenommen von den vorgenannten Fällen 2. – 5. der Aussetzung von Einzelzwangsvollstreckungen sind solche, die die Realisierung öffentlich rechtlicher Forderungen verfolgen.
  7. Die Aussetzung der Verfahren wird aufgehoben bzw. Klagen können wieder eingereicht werden, wenn entweder (i) eine Refinanzierungsvereinbarung gem. Art. 71 bis LC zustande gekommen ist, (ii) ein Beschluss diktiert wird, der die gerichtliche Homologation einer Refinanzierungsvereinbarung zulässt, (iii) eine außergerichtliche Vereinbarung zustande gekommen ist, (iv) die notwendigen Zustimmungen für ein vorgezogenes Gläubigerübereinkommen erreicht sind oder (v) der Konkurs eröffnet worden ist. 

Ein Schuldner, der einen Antrag gem. Art. 5 bis LC gestellt hat, darf während der darauffolgenden 12 Monate keinen weiteren derartigen Antrag stellen. 

Aussetzung der Hypothekenvollstreckung bzw. der Vollstreckung anderer dinglicher Sicherheiten bei Eröffnung des Konkursverfahrens (Art. 56 LC) 

In diesem Zusammenhang haben sich zwei wichtige Änderungen ergeben:  

(i) Während früher Hypothekenvollstreckungen oder Vollstreckungen anderer dinglicher Sicherheiten ausgesetzt werden konnten, die sich auf Vermögensgegenstände bezogen, „die der Unternehmensausübung des Schuldners im weitesten Sinne dienten“ oder „einer Produktionseinheit angehörten“ (sogenannte bienes afectos), gilt die Aussetzungsregel ab jetzt nur noch, wenn es sich um Güter oder Vermögenswerte des Schuldners handelt, die für die Unternehmensfortführung „notwendig“ sind. Der Begriff bienes afectos ist in diesem Zusammenhang vollständig aufgegeben worden.  

Dies ist ein Vorteil für die vollstreckenden Banken, da die Aussetzungsfälle hierdurch in der Praxis erheblich reduziert werden, folgerichtig mehr Vollstreckungsverfahren als in der Vergangenheit eingeleitet und auch weitergeführt werden dürfen.  

(ii) Eine weitere Änderung besteht darin, dass die Vollstreckung selbst gegen Vermögenswerte, die für die Fortführung des Unternehmens „notwendig“ sind, weitergeführt werden darf, wenn die Verfügungsbefugnis von der Nutzungsbefugnis getrennt ist, wie es etwa bei der Vollstreckung in Anteile an einer Projektgesellschaft (SPV) der Fall ist, denn diese lässt gewöhnlich das Geschäft der SPV unberührt. 

In diesem Sinne regelt Art. 56 Nr. 1 LC nun, dass Gläubiger, die im Besitz einer dinglichen Sicherheit sind, die sich auf Vermögenswerte bezieht, die für die Fortführung des Unternehmens „notwendig“ sind, bis zum Abschluss eines Gläubigerabkommens, längstens jedoch während des Zeitraums von einem Jahr, keine Vollstreckungen einleiten können. Bereits eingeleitete Vollstreckungsverfahren aus dinglichen Kreditsicherheiten werden ausgesetzt ab Konkurseröffnung und werden erst dann wieder eingesetzt, wenn der Richter feststellt, dass der Vermögenswert auf den sie sich beziehen, nicht für die Fortführung des Schuldnerbetriebes „notwendig“ ist. 

Ausdrücklich regelt der Gesetzgeber den Sonderfall, dass eine Vollstreckung in Aktien oder Geschäftsanteile von Gesellschaften, die lediglich einen Vermögenswert besitzen (SPV), nicht ausgesetzt werden, dies jedoch unter der Voraussetzung, dass die Vollstreckung der Kreditsicherheit keine Auflösung des Vertrages, der die Unternehmensfortführung ermöglicht, bedeutet. Durch diese Sonderregelung begünstigt der Gesetzgeber Gläubiger von dinglichen Kreditsicherheiten, die sich auf Aktien oder Geschäftsanteile einer SPV beziehen. In diesem Fall wird der Gläubiger ausnahmsweise nicht auf eine zeitlich beschränkte Aussetzung der gerichtlichen Inanspruchnahme seiner dinglichen Sicherheit verwiesen, weil man davon ausgeht, dass die SPV (etwa eine SPV, die ein Einkaufszentrum in Spanien betreibt) ihr Unternehmen ungehindert fortführen kann, selbst dann, wenn eine Vollstreckung in ihre Geschäftsanteile vollzogen wird.  

Schlussfolgerung: Banken, die Immobiliengeschäfte in Spanien finanzieren, ist daher zu raten, auf eine spanische SPV – Struktur zu drängen und sich neben der Hypothek auch ein Pfandrecht an den Geschäftsanteilen oder Aktien der SPV einräumen zu lassen.  

Die Berechnung des „Wertes“ dinglicher Sicherheiten im Rahmen von Refinanzierungsvereinbarungen (Vierte Zusatzbestimmung des spanischen Konkursgesetzes) und Konkursvergleichen (Art. 94 Nr. 5 LC) 

Nicht alle dinglichen Sicherheiten haben den gleichen Wert. So sind etwa (i) nachrangige Hypotheken grds. weniger wert als erstrangige Sicherheiten bzw. (ii) können sich Hypotheken auch auf geringwertigere Vermögenswerte des Schuldners erstrecken, selbst dann wenn sie werthaltige Forderungen sichern sollen. Bis zur ersten Teilreform vom 7. März  wurden im Rahmen  von Refinanzierungsvereinbarungen alle dinglich gesicherten Gläubiger gleich behandelt, unabhängig davon ob der Wert ihrer Sicherheiten entsprechend vorstehend bezeichneter Umstände gemindert war oder nicht. Die neuen Bewertungsregeln für dingliche Sicherheiten gelten bereits seit 8. März 2014 im Rahmen von außergerichtlichen Refinanzierungsvereinbarungen und seit 6. September 2014 auch für Gläubigerabkommen, die im Rahmen eines Konkursverfahrens abgeschlossen werden. Im letzteren Fall ist die dinglich gesicherte Forderung ab sofort bereits unter Beachtung der neuen Bewertungsregel in der Gläubigerliste aufzuführen (Art. 94 Nr. 5 LC). 

Nach der neuen Bewertungsregel wird eine dingliche Sicherheit nun aufgrund des beizulegenden Zeitwertes (valor razonable) des dinglich besicherten Vermögensgegenstandes bewertet. Es gilt ab sofort folgende Formel, die ggf. für jeden Vermögensgegenstand, auf den sich die Kreditsicherheit erstreckt, gesondert anzuwenden ist:   

  • 9/10 des beizulegenden Zeitwertes des Vermögensgegenstandes (Argument: Würde eine Einzelzwangsvollstreckung durchgeführt werden, müsste ein Zeitverlust und Vollstreckungskosten in Kauf genommen werden – alles zusammen entspräche einem Wertverlust der Forderung von wenigstens 10 %);
  • abzüglich vorrangiger Forderungen, die mittels desselben Vermögensgegenstandes besichert sind;
  • = Wert der dinglichen Sicherheit (wobei dieser Wert weder negativ sein darf, noch die Forderung des betreffenden Gläubigers überschreiten darf) 

Den valor razonable definiert der Gesetzgeber dabei wie folgt: 

  • Für Werte, die auf einem Sekundärmarkt gehandelt werden: Der Durchschnittspreis mit dem der Wert auf einem oder mehreren Märkten innerhalb der letzten 3 Monate gehandelt wurde.
  • Für Immobilien: Die durch eine in Spanien zugelassene Bewertungsfirma vorgenommene Bewertung.
  • Für andere als die vorgenannten Werte, also Mobilien und Rechte: Das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen, entsprechend den üblicherweise für solche Güter/Rechte geltenden Maßstäben. 

Ab sofort gilt, dass Gläubiger, die einer mit dem notwendigen Quorum wirksam zustande gekommenen konkursrechtlichen Refinanzierungsvereinbarung oder einem Konkursvergleich  nicht zugestimmt haben, in Bezug auf den Anteil, der den „Wert ihrer dinglichen Sicherheit überschreitet“, dieser Vereinbarung grds. unterworfen werden. Der durch die dingliche Sicherheit abgedeckte Teil der Forderung ist grds. „immun“, kann aber ausnahmsweise in Bezug auf ganz bestimmte Vereinbarungen dann einer Refinanzierungsvereinbarung unterworfen werden, wenn andere dinglich gesicherte Gläubiger dieser ebenfalls mit mindestens 65 %  bzw. 80 % ihrer dinglich gesicherten Forderungen zugestimmt haben bzw. mit 60 % oder 75 % innerhalb ihrer Gläubigergruppe im Rahmen eines Konkursvergleiches.  

Die Übertragung von funktionierenden Produktions- oder Betriebseinheiten 

Dieser Punkt wurde mittels Art. 146 bis LC neu eingefügt in das spanische Konkursgesetz unter dem Titel „Unternehmensliquidation“. Weitere Änderungen erfolgten in den Artt. 148 und 149 LC. Die Grundregel besagt, dass der Erwerber die Rechte und Pflichten der Gemeinschuldner übernimmt, ohne dass eine Einwilligung der anderen Vertragspartei hierfür  notwendig wäre. Wichtig in diesem Zusammenhang in Bezug auf dingliche Sicherheiten sind 3 Aspekte: 

  1. Die Übertragung bewirkt keine unmittelbare Verpflichtung, die bis zu diesem Zeitpunkt ausstehenden Kredite zu begleichen, unabhängig davon ob es sich um Konkursforderungen oder Masseforderungen handelt.
  2. Erfolgt eine Übertragung ohne Fortgeltung der dinglichen Sicherheit, haben die bevorrechtigten Gläubiger ein Recht darauf, dass Ihnen der proportionale Anteil des Kaufpreises, der auf das besicherte Gut im Verhältnis zum Gesamtwert des übertragenen Unternehmensanteils entfällt, ausgezahlt wird. Sollte dieser Kaufpreisanteil vom Wert hinter dem Wert der dinglichen Sicherheit, berechnet gem. Art. 94 LC, zurückbleiben, müssen wenigstens 75 % der besonders bevorrechtigten Gläubiger, die darüber hinaus derselben Gruppe (Art. 94, Nr. 2 LC) angehören, der Übertragung zustimmen. In diesem Fall wird der nicht befriedigte Anteil der dinglichen Sicherheit entsprechend der Natur seiner Forderung klassifiziert.
  3. Erfolgt eine Übertragung dagegen unter Übernahme der Forderungen durch den Erwerber und Fortgeltung der dinglichen Sicherheit, ist eine Einwilligung der besonders bevorrechtigten Gläubiger nicht notwendig. In diesem Fall wird die Forderung in der Passivseite gestrichen. Der Richter trägt Sorge dafür, dass der Erwerber solvent und wirtschaftlich in der Lage ist, die übernommenen Forderungen zu bedienen. 

Zusammenfassung und Bewertung 

Die Neuregelungen sind grundsätzlich als positiv zu werten. Aus Bankensicht ist darauf hinzuweisen, dass eine zwangsweise Verwertung der dinglichen Sicherheiten jetzt nur noch dann ausgesetzt werden kann, wenn sich diese auf Güter, Rechte oder Vermögenswerte des Schuldners erstreckt, die für die Unternehmensfortführung unerlässlich sind, der Aussetzungstatbestand somit eingeschränkt wurde und damit in der Praxis weniger Aussetzungsfälle eintreten sollten. Insbesondere die ausdrückliche Einschränkung der Aussetzungsmöglichkeit bei SPVs ist – vor allem im Interesse der Banken – ein Schritt in die richtige Richtung.  

Allerdings ist der Zeitpunkt einer möglichen Vollstreckungsaussetzung vorgezogen worden: Ein zahlungsunfähiger Schuldner kann, wie gesagt, durch förmliche Anzeige bei Gericht, „dass er in Refinanzierungsverhandlungen mit seinen Banken steht“, die Vollstreckung in solche Vermögenswerte, die für die Unternehmensfortführung notwendig sind, schon im Vorfeld des Konkurses – allerdings beschränkt auf einen Maximalzeitraum von 6 Monaten – blockieren.   

In Bezug auf die dinglichen Sicherheiten im Rahmen der Übertragung von funktionierenden Produktionseinheiten ist eine sachgerechte Lösung in das spanische Konkursgesetz aufgenommen worden. Die Banken hätten im Extremfall bei derartigen Übertragungen lediglich dann Abstriche zu machen, falls eine ¾ Mehrheit der anderen Bankengläubiger mit dinglichen Sicherheiten (die selbe Gläubigergruppe !) einer Auszahlung unterhalb des Wertes der dinglichen Sicherheit zustimmt. Dies ist deshalb sachgerecht, weil unter derselben ¾ Mehrheit auch ein Konkursvergleich auf andere dinglich gesicherte Gläubiger derselben erstreckt werden könnte.    

Unabhängig von den Aussetzungsfristen, die ein dinglich gesicherter Gläubiger in den hier beschriebenen Ausnahmefällen hinnehmen muss, um sicherzustellen, dass angeschlagene Unternehmen nicht solche Vermögensgegenstände verlieren, die der Fortführung des Unternehmes dienen, soll an dieser Stelle noch einmal auf die absolute Vorrangstellung der dinglich gesicherten Forderungen im spanischen Konkursverfahren hingewiesen werden: Diese sind vom Gesetzgeber – unter Berücksichtigung der bereits erwähnten Wertermittlung – für dingliche Sicherheiten als „besonders privilegierte Forderungen“ eingestuft worden (Art. 90 Nr. 1 – 1º und Nr. 3 LC) und sind auch während des gesamten Konkursverfahrens ausschließlich für die Befriedigung der durch sie gesicherten Gläubiger reserviert. Die lediglich zeitweilige Aussetzung der zwangsweisen Inanspruchnahme dinglicher Kreditsicherheiten kann den Banken aus Sicht des Gesetzgebers zum Zwecke des Gemeinwohls zugemutet werden.  

Spanische Hypotheken und andere dingliche Sicherheiten sind daher unter spanischem Recht zweifelsfrei sicher und konkursfest.