Die Ziele sind klar: Stärkung der Rechtssicherheit und Gewährleistung des Schutzes der Gesundheit und Sicherheit von Arbeitnehmern im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie 2003/88/EG. Trotz dieser klaren Marschrichtung und Bearbeitung im Eilverfahren steht dem Gesetzentwurf jedoch ein bürokratischer Marathon bevor: Stellungnahme des sog. Staatsrates (Consejo del Estado), des höchsten Beratungsgremiums der spanischen Regierung, Einschätzungen verschiedener Ministerien, der spanischen Datenschutzbehörde (Agencia Española de Protección de Datos) und des Amtes für Koordinierung und Rechtsetzung (Oficina de Coordinación y Calidad Normativa) sowie Gespräche mit den Sozialpartnern. Ob das zeitlich bis zum Jahresende zu schaffen ist, ist daher fraglich.
Doch auch inhaltlich ist der Gesetzentwurf keine kleine Aufgabe. Derzeit verpflichtet Artikel 34.9 ET Arbeitgeber, die Erfassung der Arbeitszeit sicherzustellen, wobei mindestens Arbeitsbeginn und -ende erfasst werden müssen, unbeschadet der Arbeitszeitflexibilität. Bisher nicht geregelt ist hingegen die Erfassung von Pausen oder Ruhezeiten, der Arbeitsform (vor Ort im Betrieb oder im Homeoffice, Vollzeit oder Teilzeit) oder Klassifizierung der erfassten Stunden (reguläre Stunden, Zusatzstunden, Überstunden).
Wie die Arbeitszeiterfassung konkret gehandhabt und dokumentiert wird, richtet sich zudem nach den Ergebnissen aus Tarifverhandlungen, Betriebsvereinbarungen oder liegt im Ermessen des Arbeitgebers nach vorheriger Konsultation der gesetzlichen Arbeitnehmervertreter. Die jeweiligen Arbeitszeitdokumente muss der Arbeitgeber vier Jahre lang aufbewahren und sie Arbeitnehmern, ihren gesetzlichen Vertretern und/oder der Arbeitsaufsicht auf Verlangen zur Verfügung stellen.
Der neue Gesetzentwurf will nun die Spielregeln ändern:
Abschied vom Papier
Die Erfassung soll digital, objektiv, zuverlässig und zugänglich sein. Diese Grundsätze wurden bereits vom EuGH in seinem Urteil vom 14. Mai 2019 (C-55/18) gefordert.
Mehr Informationen, mehr Kontrolle
Zwingend erfasst werden sollen
- die Identität des Erfassers, mit den unbedingt erforderlichen personenbezogenen Daten,
- Pausen und Wartezeiten,
- Arbeitszeitregelung und -form (Vollzeit oder Teilzeit, in Präsenz oder in Telearbeit),
- die Aufschlüsselung der Stunden in reguläre Stunden, Überstunden und Zusatzstunden (bei Überstunden: Angabe der Art der Überstunden und ihres Ausgleichs) sowie Unterbrechungen im Zusammenhang mit dem „digitalen Abschalten, und
- die Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Flexibilisierung.
Die Aufzeichnungen müssen täglich und monatlich zusammengefasst werden, und alle Änderungen an den Einträgen müssen nachverfolgbar und genehmigt sein.
Zugang und Transparenz
Mit diesem neuen Erfassungssystem sollen Arbeitnehmer und ihre gesetzlichen Vertreter (letztere unter Anonymisierung sensibler Daten) die Einträge und Änderungen jederzeit und unverzüglich, zumindest an ihrem Arbeitsplatz, einsehen und Kopien erhalten können.
Auch die spanische Arbeitsaufsicht soll jederzeit unverzüglich auf die erfassten Arbeitszeiten zugreifen können, sowohl aus der Ferne (die Art und Weise muss noch festgelegt werden) als auch vor Ort im jeweiligen Betrieb.
Künftig soll der Arbeitgeber
- zusammen mit der Gehaltsabrechnung eine Kopie der Arbeitszeiterfassungen des jeweiligen Arbeitnehmers übergeben,
- mit den gesetzlichen Arbeitnehmervertretern eine unternehmensinterne Richtlinie ausarbeiten und diese zwingend umsetzen, sowie
- seinen Angestellten spezifische Schulungen anbieten, die während der Arbeitszeit durchgeführt werden müssen.
Was können wir erwarten?
Obwohl die spanische Zentralregierung das Tempo anzieht, ist die Verabschiedung und Veröffentlichung des Königliche Dekret noch im Jahr 2025 keineswegs sicher. Wahrscheinlicher ist die Verabschiedung eines geänderten Entwurfs im kommenden Jahr. Dies ist jedoch nicht die einzige offene Frage:
War das Eilverfahren nach Artikel 27.1.b) des Gesetzes 50/1997, das außergewöhnliche, nicht vorhersehbare Umstände vorschreibt, wirklich angemessen?
Wie werden KMU – die 99,8 % der spanischen Unternehmen ausmachen – die technologischen Kosten für die Einführung digitaler Systeme bewältigen, die sogar den Fernzugriff der Arbeitsaufsichtsbehörde ermöglichen?
Wird es Subventionen oder Hilfen geben?
Wird es Flexibilität geben?
Auf diese Fragen gibt es aktuell keine Antwort und wird es auch vorerst nicht geben – zumindest nicht bis zur amtlichen Bekanntmachung des finalen Gesetzestextes im spanischen Staatsanzeiger BOE.