Herausforderungen des gewerblichen Rechtsschutzes: Digitalisierung, Fälschungen und Nachhaltigkeit

Veröffentlicht am 01.04.2022

Wären wir vor einigen Jahren gefragt worden, was den Handel am meisten revolutioniert hat, wäre die Antwort eindeutig gewesen: das Internet. Das Internet und die digitale Revolution, die sich um das Internet geformt hat, hat nicht nur dank der Erschließung neuer Märkte, die über die traditionellen Landesgrenzen hinausgehen, zahllose Möglichkeiten für Unternehmen geschaffen, neue Verbraucher zum Absatz ihrer Waren und Dienstleistungen zu erreichen, sondern auch zahlreiche Herausforderungen mit sich gebracht.

Was die mit diesen Waren und Dienstleistungen verbundenen gewerblichen Schutzrechte anbelangt, so sind ungünstige Einflüsse auf Wirtschaft und Ruf eines Unternehmens jetzt nicht mehr nur auf ein oder mehrere Staatsgebiete beschränkt, sondern haben globale Auswirkungen.

So, wie im Zuge der Anpassung von Unternehmen an die neue Situation des Online-Vertriebs die Zahl der Anmeldungen von Marken, Patenten, Geschmacksmustern, etc. zum Schutz von Produkten und Dienstleistungen zunimmt, steigt auch die Zahl von Fälschungen und Verletzungen dieser Rechte.

Denn die digitalen Medien sind der perfekte Nährboden für Produktpiraterie. Dies wird zum Beispiel aus den Daten des Amts der Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) ersichtlich. Ihnen zufolge wird der weltweite An- und Verkauf von gefälschten Produkten auf 460 Milliarden Euro geschätzt; Unternehmen verlieren durch dieses Übel Umsätze in Höhe von mehr als 6 Milliarden Euro pro Jahr und mehr als 50 Millionen Arbeitsplätze fallen weg.

Das Phänomen der Produktpiraterie stellt eine ernstzunehmende Bedrohung für Innovation, Wirtschaftswachstum und gesellschaftlichen Wohlstand dar, sowohl in der Europäischen Union als auch im Rest der Welt.

Anstatt dank der Sensibilisierung von Verbrauchern abzunehmen, nehmen diese schädlichen Praktiken jedoch zu. Einer der jüngsten Gründe für den Zuwachs liegt in der derzeitigen COVID-19-Pandemie, da 2020 der globale Online-Absatz im Vergleich zu 2019 um 20% wuchs (hauptsächlich aufgrund der vorübergehenden Schließung von Geschäften und der Einschränkung der Öffnungszeiten bzw. Kundenzahl). Dieser Umstand hat dazu beigetragen, dass Fälschungen freie Bahn haben.

Dabei wird deutlich, dass Fälscher die Schwächen des Online-Marktes auszunutzen wussten, um ihre rechtswidrigen Geschäfte zu ermöglichen und ihre illegalen, aber lukrativen Einkünfte zu vermehren.

Unbeschadet dessen ist jedoch das Grundproblem nicht, dass Fälscher über mehr Mittel und Wege verfügen, um ihre gefälschten Produkte zu präsentieren, sondern dass diese weiter von Verbrauchern gekauft werden, trotz der damit verbundenen negativen Folgen.

Spricht man mit Menschen, die gefälschte Produkte erwerben oder erworben haben, wird ein Gedanke immer wieder genannt: Fälschungen würden keinen echten Schaden für die großen Unternehmen bedeuten, die hinter den Originalprodukten stehen, denn diese seien ja bereits reich und damit werde niemandem geschadet.

Nichts könnte der Wirklichkeit jedoch ferner liegen. Denn die Folgen des Kaufs von Fälschungen sind verheerend. Und zwar nicht nur für Unternehmen, die in Forschung, Entwicklung und Innovationen, Werbemaßnahmen etc. investieren und zusehen, wie ihnen Einnahmen entgehen oder sie Angestellte entlassen müssen. Fälschungen können auch für die Gesundheit der Menschen gefährlich werden, die Einkünfte der öffentlichen Hand verringern und – der wichtigste Punkt – häufig die Existenzgrundlage von Netzwerken der organisierten Kriminalität bilden.

Viele wissen zudem nicht, dass 4 von 5 kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) Opfer von Fälschungen im Internet werden. Am stärksten davon betroffen sind KMU, die im Bereich Mode tätig sind, hier sind es 92,62 %, gefolgt von den Bereichen Elektronikartikel (82,06 %), Sport (78,86 %), Haushaltswaren (73,48 %), Spielwaren (69,06 %) und Körperpflege (64,81 %).

Einige der Produkte, die häufig gefälscht und zu einem niedrigeren Preis als das Original verkauft werden, sind z. B. Kosmetika, Spielwaren, Kleidung und Schmuck. Wir können jedoch nur unterstreichen, dass ihre Verwendung zu schweren gesundheitlichen Schäden bei denjenigen führen kann, die sie konsumieren, da sie nicht dieselben Qualitäts- bzw. Gesundheitskontrollen durchlaufen wie die Originale.

Allerdings waren nicht alle Entwicklungen, die die Pandemie angestoßen hat, für die Inhaber von gewerblichen Schutzrechten negativ. Die Coronakrise hat auch den enormen gesellschaftlichen Wert der Investition in Forschung und Entwicklung gezeigt und zum Überdenken des Wachstumsmodells westlicher Gesellschaften und seiner Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit angeregt.

Das heißt Verbrauchern wird immer klarer, dass alle Handelsaktivitäten Auswirkungen auf die Umwelt haben; immer mehr Verbraucher wollen umweltverträgliche Produkte kaufen und konsumieren, um so kommenden Generationen eine genauso gute oder bessere Zukunft zu sichern.

Hier spielen Marken eine entscheidende Rolle. Mit ihnen wissen Verbraucher, was sie kaufen, und haben die Gewissheit, dass das gekaufte Produkt bestimmte Umweltstandards einhält.

Eine globale Priorität haben derzeit Öko-Innovationen, mit denen von Unternehmen verursachte Umweltschäden  verringert werden sollen. Durch die Förderung und Patentierung nachhaltiger Erfindungen und der Anwendung grüner Technologien kommt dem gewerblichen Rechtsschutz eine maßgebliche Bedeutung zu.

Wir können hierbei nur unterstreichen, dass sowohl das geistige Eigentum als auch die Möglichkeit von Technologie-Transfers Schlüsselelemente für den Schutz und die Stärkung der Wirtschaftlichkeit von nachhaltigen Technologien sind.

Der gewerbliche Rechtsschutz hat sich als starker Partner der Green Economy erwiesen, die auf ein Produktionsmodell setzt, das Wohlstand und Gleichheit in der Gesellschaft fördert sowie Umweltrisiken und ökologische Knappheit mindert. In diesem Zusammenhang stellt der gewerbliche Rechtsschutz nicht nur ein Instrument zum Schutz von Marktmonopolen dar, sondern wird auch immer unabdingbarer für die Zukunft, die wir schaffen.

Im Ganzen gesehen haben Internet (und Fälschungen), Pandemie und Nachhaltigkeit somit zwar Herausforderungen mit sich gebracht, es ist jedoch längst nicht alles negativ. Unternehmer können neue Geschäftsmöglichkeiten (neue Märkte, weitere potenzielle Verbraucher) erschließen und die Chance wahrnehmen, das eigene Image unter Verbrauchern zu stärken und auszubauen (Schaffung von nachhaltigen Produkten mit „grünen“ Marken, Technologie mit positiven Auswirkungen auf die Umwelt usw.).

Daher empfehlen wir, nach vorne zu blicken und der Zukunft mit entsprechender Unterstützung von Experten für gewerblichen Rechtsschutz zu begegnen, die Chancen zu ergreifen, die uns die Technologie bietet, und den Markt positiv zu beeinflussen (grüne Marken und Patente zu schaffen und zu nutzen) und bei der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten nicht untätig zu bleiben, sondern vorzubeugen und sich gegebenenfalls zu verteidigen.