Kurzarbeit in Spanien: Kündigungsverbot und Klausel zum Erhalt von Arbeitsplätzen auf dem Prüfstand

Veröffentlicht am 02.06.2021

Am 28. März 2020 trat, inmitten des ersten Alarmzustandes in Spanien, das königliche Gesetzesdekret (Real Decreto-Ley, RDL) 9/2020 vom 27. März in Kraft. Das Dekret erlässt zusätzliche Maßnahmen zur Abschwächung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und sieht in seinem Artikel 2 unter anderem das „Verbot“ von Kündigungen aufgrund von höherer Gewalt oder aus betrieblichen Gründen nach den Artikeln 22 und 23 des königlichen Gesetzesdekretes 8/2020 vom 17. März vor.

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Die 6. Zusatzbestimmung des RDL 8/2020 wiederrum sieht die Pflicht zum Erhalt von Arbeitsplätzen in den Fällen vor, in denen Kurzarbeit (ERTE) aufgrund von höherer Gewalt nach besagtem Artikel 22 eingeführt wurde.

Das Verbot und die Klausel zum Schutz von Arbeitsplätzen sind nicht unstrittig und wurden von dem Arbeitsgericht Nr. 31 in Barcelona nun im Rahmen des Verfahrens Kündigungen/Entlassungen Allgemein 754/220-C und dem darin ergangenen Urteil 59/2021 vom 5. Februar einer kritischen Prüfung unterzogen.

Für ein besseres Verständnis des Kontextes dieser Überprüfung möchten wir kurz auf ihren Hintergrund eingehen. In dem genannten Verfahren analysierte das erstinstanzliche Gericht die Entlassung von Arbeitnehmern zum 31. August 2020 im Rahmen des Personalfreisetzungsverfahrens ERE aus betriebsbedingten Gründen. Das Unternehmen war in der Hotel- und Gastronomiebranche tätig und hatte am 14. März 2020 Kurzarbeit aufgrund von höherer Gewalt beantragt und sich dabei auf Art. 22 des RDL 8/2020 berufen. Am 24. April 2020 stellte es beim Handelsgericht Antrag auf Vorinsolvenz (sogenannte solicitud de preconcurso).

Vor diesem Hintergrund kam der erstinstanzliche Richter angesichts der Tatsachen zu dem Schluss, dass eine Kündigung nicht als unzulässig eingestuft werden kann, wenn das Unternehmen zuvor alle notwendigen Maßnahmen zur Überwindung seiner schwierigen Lage ergriffen hat. All dies unabhängig davon, ob COVID-19 die negative wirtschaftliche Lage des Unternehmens noch verschärfte oder nicht. Ferner war in diesem Verfahren unstrittig, dass diese negative wirtschaftliche Lage des Unternehmens bereits vor Ausbruch der Pandemie bestand, da das Unternehmen seit 2015 Verluste verbuchte. Die von COVID-19 ausgelöste Pandemie und die Einschränkungen, die insbesondere das Hotel- und Gaststättengewerbe betroffen haben, waren vielmehr der letzte Faktor in der Begründung der ergriffenen Kollektivmaßnahmen.

Die Einstufung einer solchen Kündigung als unzulässig würde Unternehmer, die trotz der verzeichneten Verluste, alles in ihrer Macht stehende getan haben, um die Geschäftstätigkeit und somit die Arbeitsplätze aufrecht zu erhalten, ungerechtfertigterweise abstrafen. Obgleich sich das Unternehmen zur Beantragung der Kurzarbeit aufgrund von höherer Gewalt im Rahmen des Art. 22 RDL 8/2020 gezwungen sah, seien schließlich, so betonte der Richter, tatsächlich betriebsbedingte Gründe für die Personalfreisetzung ausschlaggebend gewesen.

Zuletzt unterstrich der Richter, dass die Verletzung der Pflicht zum Erhalt der Arbeitsplätze (6. Zusatzbestimmung des RDL 8/2020) nicht die Unzulässigkeit der Kündigung, sondern vielmehr die Rückzahlung der Sozialversicherungsbeiträge zur Folge hat, von denen das Unternehmen aufgrund der Kurzarbeit befreit wurde.

Dieser Fall zeigt, dass die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte unter Berücksichtigung der Einzelheiten des jeweiligen Falls erneut beginnt, nach und nach die Fragen auszuräumen, die der Erlass dieser Normen, die zweifelsohne bei Unternehmern eine gewisse Unsicherheit verursacht haben, hat aufkommen lassen. Das Urteil lässt annehmen, dass betriebsbedingte oder „coronabedingte“ Kündigungen in Unternehmen, die sich bereits vor der ersten Erklärung des Alarmzustandes im März vergangenen Jahres in einer negativen wirtschaftlichen Lage befanden und die sich ferner zur Beantragung von Kurzarbeit aufgrund von höherer Gewalt durch COVID-19 gezwungen sahen, nicht zwangsläufig als unzulässig angesehen werden müssen.