Neue Zuständigkeit des Spanischen Patent- und Markenamts ab Januar 2023 für die Löschung von Marken

Veröffentlicht am 12.12.2022

2018 hat das geltende Markengesetz 17/2001 in Spanien im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie 2015/2436 eine wichtige Reform erfahren.

1. Aktuelle Lage

1.a) Das Markengesetz wiesen dem OEPM die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Vergabe der Marken, über Widersprüche gegen Marken und über Rechtsbehelfsverfahren mittels Beschlüssen zu, die von den Verwaltungsgerichten überprüft werden konnten.

Die geltende Gesetzgebung weist die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Nichtigkeit und den Verfall von Marken (im Folgenden “diese Thematik”) den Zivilrichtern und -gerichten zu, von denen es zurzeit in Spanien wenige und hoch spezialisierte gibt: aktuell gibt es für diese Thematik 20 erstinstanzliche Handelsgerichte und 7 Landgerichte (Audiencias Provinciales) als Berufungsinstanz, mit Sitz in Madrid, Barcelona, Valencia, Bilbao, Granada, A Coruña und Las Palmas de Gran Canaria.

Zu diesem Zweck werden bei der Besetzung der spanischen Gerichte sukzessive Erneuerungen vorgenommen, um zu erreichen, dass die Verfahren in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte und diesen ähnliche Rechte an Spezialisierung, Effizienz und Homogenität in den rechtlichen Kriterien gewinnen.

1.b) Aktuell kann die Markenlöschung vom Kläger unmittelbar mittels Klage geltend gemacht werden; oder mittelbar durch den Beklagten mittels Widerklage oder Einspruch.

2. Verfahren ab dem 14. Januar 2023: Neue Zuständigkeit, die das OEPM auf dem Gebiet des Verfalls und der Nichtigkeit von Marken anstelle der Zivilgerichte übernimmt, die in dieser Thematik nur noch über Rechtsmittel entscheiden werden

In jedem Fall bleibt die Möglichkeit erhalten, diese Thematik im Wege der Widerklage vor den Zivilgerichten im Rahmen eines Markenverletzungsverfahrens geltend zu machen.

Die Gesetze, die das OEPM künftig auslegen und anwenden muss, umfassen die für seinen Handlungsrahmen üblichen Bereiche – wie Registrierung, Unterscheidungsmerkmale, Gebrauch, Bekanntheit und Wertschätzung von Marken -, aber auch andere zivil- und prozessrechtliche Fragen, die traditionell bislang ausschließlich von Gerichten ausgelegt und angewendet wurden.

Logischerweise wird das OEPM diese Fragen je nach den Umständen eines jeden Falles unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung in dieser Thematik anwenden und auslegen. Außerdem wird es der Doktrin der EUIPO folgen.

Das OEPM kann rechtmäßig mit einem breiten Spektrum an Beweisen auf der Grundlage des Urkundsbeweises handeln, zu dem a priori Geschäftsberichte, Marktanalysen, eidesstattliche Erklärungen und ähnliche Mittel gehören, sowie eventuell Befragungen von Parteien, Zeugen und Sachverständigen.

Das neue System sieht vor, die Fristen für Einwendungen und Beweise flexibler zu gestalten, so dass je nach Komplexität des Rechtsstreits oder der Beweismittel die Möglichkeit mehrerer Repliken und Stellungnahmen im Ermessen des OEPM liegt.

In jedem Fall obliegt die Revision der vom OEPM in dieser Thematik erlassenen Entscheidungen vom 14. Januar 2023 an den Zivilkammern der Landgerichte (Audiencias Provinciales del orden civil).

Den aktuellen gesetzlichen Rahmen bilden Reformen des Organgesetzes über das Gerichtswesen sowie des Gesetzes über die Zivilprozessordnung, wobei die neue Regelung einige wichtige Änderungen bewirkt, u.a. die Einfügung der neuen Ziffer 13bis im Artikel 52.1.:

«13. bis.Für die Entscheidung über Rechtsbehelfe gegen jene Entscheidungen, die vom Spanischen Patent- und Markenamt auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes erlassen wurden und bei denen der Verwaltungsrechtsweg ausgeschöpft wurde, sind die auf dem Gebiet des Handelsrechts spezialisierten Kammern des Landgerichts zuständig, in dessen Bezirk sich der Sitz des Obersten Gerichts der Autonomen Region befindet, in der der   Kläger   seinen  Wohnsitz  hat,  oder,  in  Ermangelung  eines  solchen, da, wo  sich der Wohnsitz des in Spanien vom Kläger bevollmächtigten Vertreters, der in seinem Namen handeln kann, befindet,  sofern der  Generalrat für das  Justizwesen beschlossen hat, den

Handelsgerichten jenes Ortes die ausschließliche Zuständigkeit für die Entscheidung über Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes zu übertragen. Nach Wahl des Klägers sind auch die spezialisierten Kammern des Landgerichts zuständig, in dessen Bezirk sich der Sitz des Spanischen Patent- und Markenamts befindet.»

Eine der Prognosen, die in Betracht gezogen werden, ist der mögliche „Lockruf-Effekt” dieser Neuregelung, die zu einem erhöhten Verfahrensaufkommen an den Gerichten von Madrid führen könnte.

3. Prognosen für die Praxis: Fazit und voraussichtliche Vorteile des neuen Systems

Zusammenfassend kann sich das neue System als schneller und wirtschaftlicher erweisen.

In der ersten Instanz kann das OEPM dazu beitragen, den Stau bei den Gerichten abzubauen. In den letzten zwei Jahren hat das OEPM für die Erfüllung dieser so wichtigen Aufgabe Personal und geeignete digitale Medien aufgebaut.

Wir sind zuversichtlich, dass die derzeitige Unerfahrenheit des OEPM in dieser Thematik durch die Hyper-Spezialisierung der Zivilgerichte ausgeglichen werden wird, die ab 2023 als Berufungsinstanz die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen überprüfen werden, die das OEPM erlässt, was außerdem zu einer größeren Homogenität in der Rechtslehre führen dürfte. Ein Paradebeispiel dafür ist das Landgericht (Audiencia Provincial) Madrid, dessen 28. Kammer seit 2006 auf diese Thematik spezialisiert ist, die ab dem 1. April 2023 durch die neu gebildete 32. Kammer verstärkt wird, die ausschließlich für den gewerblichen Rechtsschutz, für Urheberrechte, unlauteren Wettbewerb, Werbung, Kartellrecht und ähnliche Rechtsgebiete zuständig sein wird.

Ein Schlüssel wird sein, dass für das neue Verfahren, insbesondere in der Phase der Berufung, ein breites Spektrum an schriftlichen Stellungnahmen und Beweismitteln beibehalten wird, obwohl vorgesehen ist, dass es wie ein Zivilverfahren mit geringem Streitwert geführt werden wird.

Alles in allem sind wir zuversichtlich, dass das neue System nach und nach so erfolgreich funktionieren wird wie die EUIPO, die ja seit 1996 dieselbe Zuständigkeit auf dem Gebiet des Marken- und Design-Rechts innehat. Wir alle, die wir in Spanien im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes tätig sind, werden im Rahmen unserer Möglichkeiten zum Gelingen beitragen und die Entwicklung im Laufe des Jahres 2023 aufmerksam weiterverfolgen.