Spaniens neues Gesetz zur Unternehmensförderung – ein strategischer Rahmen für KMU

Veröffentlicht am 24.04.2023

In vielen Volkswirtschaften leisten kleine und mittlere Unternehmen einen erheblichen Beitrag für Fortschritt und die Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen, sodass sie ein Sicherheitsnetz für viele Familien bilden.

In der Europäischen Union – und auch in Spanien – machen KMU 99% der Unternehmenslandschaft aus. Allerdings sind es insbesondere diese Unternehmen, die von turbulenten Wirtschaftsphasen und den verheerenden Folgen von Finanzkrisen besonders hart getroffen werden. Spaniens neues Gesetz zur Unternehmensförderung soll hier nun Abhilfe schaffen.

In den letzten Jahren haben die wirtschaftspolitischen Institutionen der Europäischen Union die Bedeutung von kleinen und mittleren Unternehmen in der Eurozone eingehend analysiert. Daraus entstanden sind Instrumente für die Regierungen der Mitgliedstaaten, um einen solideren strategischen Rahmen zu schaffen, der eine nachhaltigere Gründung, Entwicklung und Etablierung von Unternehmen ermöglicht. Dieser neue Ansatz folgt den Leitlinien der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und will die Mitgliedstaaten dabei unterstützen eine Wirtschaft zu schaffen, die engagierter, verantwortungsvoller und nachhaltiger mit ihren Unternehmen umgeht und sie in allen Phasen ihres Lebenszyklus zu unterstützen.

In Spanien wird dieser Ansatz im Gesetz 18/2022 vom 28. September über die Gründung und das Wachstum von Unternehmen widergespiegelt. Es ändert wirtschaftliche Bedingungen und wichtige Regelungen des Handels- und Gesellschaftsrechts, darunter das Kapitalgesellschaftsgesetz (LSC), das Gesetz 14/2013 vom 27. September zur Förderung und Internationalisierung des Unternehmertums und das Gesetz 15/2010 vom 5. Juli zu Maßnahmen zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr. Zweck ist, (i) das Unternehmertum, die Gründung sowie Entwicklung von Unternehmen zu fördern, (ii) finanzielle Kosten zu senken und (iii) den Zugang zu Krediten zu erleichtern und wirtschaftliche Risiken abzufedern, indem das Unternehmervermögen besonders geschützt wird. Auf die wichtigsten Änderungen gehen wir nachfolgend ein.

Die relevanteste Änderung des LSC erfasst dessen Artikel 4 (Mindestkapital). Das Mindestkapital i.H.v. 3.000 Euro fällt weg, sodass nun eine spanische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (sociedad limitada, SL) mit dem symbolischen Betrag von einem Euro gegründet werden kann. Zum Schutz von Gläubigerinteressen sieht das neue Gesetz zur Unternehmensförderung die folgenden Regelungen für Gesellschaften mit einem Stammkapital von weniger als 3.000 Euro vor:

  • Mindestens 20% des Gewinns des Unternehmens müssen der gesetzlichen Rücklage zugeführt werden, bis die Summe der gesetzlichen Rücklagen und des Stammkapitals 3.000 Euro beträgt.
  • Sollte im Rahmen einer – freiwilligen oder erzwungenen – Liquidation das Vermögen der Gesellschaft zur Deckung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, haften die Gesellschafter gesamtschuldnerisch für die Differenz zwischen dem Betrag von 3.000 Euro und dem gezeichneten Kapital.

Dieser Ansatz entspricht dem Vorgehen in anderen Rechtssystemen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Europäischen Union, da in vielen Ländern kein Mindestkapital für die Gründung einer Gesellschaft vorgeschrieben ist. Das neue Gesetz bietet, zumindest in der Theorie, den Gründungsgesellschaftern mehr Spielraum bezüglich des Gesellschaftskapital, ohne seine Garantie- und Finanzierungsfunktion zu beschneiden.

Des Weiteren stärkt das neue Gesetz die Rolle und die Beteiligung rechtlicher Akteure wie Notaren, die im Handels- und Geschäftsverkehr eine herausgehobene Funktion einnehmen. Notare müssen nunmehr im elektronischen Notarkalender aufgenommen und in der Lage sein, die Gründung von Unternehmen über die Anwendung CIRCE vorzunehmen. Damit wird, was bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes zur Unternehmensförderung nach den Vorgaben des Allgemeinen Notarrates noch optional war, nun für alle Notare zur Pflicht.

Diese Neuregelung ermöglicht somit eine vollelektronische Gesellschaftsgründung mit standardisierten Formularen und kurzfristiger Prüfung der Eintragungsunterlagen innerhalb von sechs Stunden.

Eine weitere wichtige Reform betrifft das Gesetz 14/2013 vom 27. September über zur Förderung und Internationalisierung des Unternehmertums. Diese ändert dessen Artikel 8 (Wirksamkeit der Haftungsbeschränkung) in Bezug auf die sogenannten „Einzelunternehmer mit beschränkter Haftung“ (Emprendedor de Responsabilidad Limitada). Derartige Unternehmer genießen eine Haftungsbefreiung für ihren gewöhnlichen Wohnsitz, sofern dessen Wert, ermittelt nach den Vorgaben zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage der Vermögensübertragungs- und Stempelsteuer zum Zeitpunkt der Registrierung, 300.000 Euro nicht übersteigt.

Das neue Gesetz zur Unternehmensförderung wirkt sich auch auf das Gesetz 15/2010 vom 5. Juli 2010 zu Maßnahmen zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr aus. Mit der Änderung wird verstärkt auf die Verwendung von E-Rechnungen abgestellt und für Unternehmen die Pflicht eingeführt, in ihren Jahresabschlüssen ausdrücklich die durchschnittliche Kreditorenlaufzeit anzugeben. Zudem soll zur Bekämpfung von Zahlungsverzug mehr Transparenz hinsichtlich der Zahlungsziele im Geschäftsverkehr geschaffen werden. Zu diesem Zweck hat die Regierung nun ad hoc eine staatliche Beobachtungsstelle für Zahlungsverzug in der Privatwirtschaft eingerichtet, in der die Sozialpartner sowie verschiedene Verbände und Institutionen in diesem Bereich vertreten sind. Die staatliche Beobachtungsstelle wird das Ministerium für Industrie, Handel und Tourismus beraten.

Dieser neue Rechtsrahmen schafft bessere Bedingungen für KMU, beseitigt Hindernisse und macht sie widerstandsfähiger. Wünschenswert wäre, dass sich daraus eine Gesellschaft und Kultur mit mehr Unternehmergeist entwickeln würde, ähnlich wie in Spaniens Nachbarländern. Nun liegt es in der Verantwortung der öffentlichen Verwaltung, auf Grundlage dieses neuen Rechtsrahmens finanzielle Unterstützungsinstrumente und -einrichtungen zu entwickeln, die spanischen Unternehmen den Zugang zu Krediten erleichtern. Letztlich ist es Aufgabe der Regierungen auf staatlicher, regionaler und kommunaler Ebene auf eine Finanzpolitik und einen Geschäftsverkehr hinzuwirken, die von mehr Nachhaltigkeit und Verantwortlichkeit geprägt sind und deren Aushängeschild das spanische Unternehmertum ist.