Stärkere Kontrollen für Ausländische Direktinvestitionen in Spanien

Veröffentlicht am 30.11.2020

Nachdem der Gesetzgeber im Zuge einer Reihe von Notstandsverordnungen vor dem Sommer den ursprünglich bestehenden Grundsatz der freien Investitionspolitik in Spanien erheblich eingeschränkt hatte, traten erst kürzlich erneute Beschränkungen in Kraft. So hat die spanische Regierung mittels Gesetzesdekret 34/2020, vom 17. November 2020 und mit Wirkung zum 19. November 2020 den Kontrollmechanismus für Auslandsinvestitionen in Spanien nochmals verschärft.

Nadja Vietz Abogada / Rechtsanwältin / Attorney (WA) +34 93 487 58 94

Investoren müssen nach wie vor genau planen, inwieweit die Übernahmeaktivität genehmigungspflichtig ist und eine solche vorherige Genehmigung einzuholen sein wird. So wurden die im Zuge der Gesundheitskrise erlassenen strengeren Regelungen für ausländische Investitionen in Spanien nochmals geändert, wobei der folgende Beitrag sich mit den Details des neuen Gesetzesdekrets im Vergleich zur Rechtslage seit März diesen Jahres beschäftigt (die wir in diesem Beitrag erläuterten) und dessen mögliche Auswirkungen in der Praxis beleuchtet.

Überblick über die Neuerungen seit November 2020

Zusammenfassend hat der spanische Gesetzgeber die subjektive Definition des Investors auch auf Investoren mit Sitz in Europa erweitert, wobei diese Regelung zunächst nur übergangsweise bis 30. Juni 2021 wirksam sein soll. Hiervon betroffen sind nur Investitionen in börsennotierte Unternehmen oder solche mit einem Wert von mehr als 500 Millionen Euro.

Direktinvestitionen in Spanien

Es sticht hervor, dass keine Ausnahme- oder Übergangsregelungen für derzeit eingeleitete, aber noch nicht abgeschlossene Investitionen vorgesehen sind, womit der Abschluss derartiger Transaktionen seit dem 19. November 2020 als genehmigungspflichtiges Rechtsgeschäft einzustufen sein wird und zum erfolgreichen Abschluss, unabhängig von der schon erfolgten Unterzeichnung des zugrundeliegenden Vertrages, eine solche Genehmigung nun tatsächlich notwendig werden könnte.

Nicht zuletzt hat der Gesetzgeber mit dem letzten Gesetzesdekret 34/2020 Änderungen in der Definition der ausländischen Investition, in der Definition des Investors und der objektiv immer genehmigungspflichtigen Investitionen sowie in der Beschreibung einiger der sensiblen Sektoren eingeführt, welche im Folgenden im Detail beleuchtet werden sollen.

Übergangsregelung führt zur Notwendigkeit der Genehmigung gewisser Europäischer Investitionen

Im Gesetzestext wurde eine Übergangsregelung mit Wirkung bis zum 30. Juni 2021 eingeführt, wonach auch EU-Inländer für Investitionen in spanische Gesellschaften unter kumulativer Vorlage bestimmter Voraussetzungen einer vorherigen Genehmigung benötigen. Abweichend von der bisherigen Definition der Person des Investors sind nun auch natürliche und juristische Personen mit (Wohn-)Sitz in Staaten innerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums bzw. spanische Gesellschaften, deren wirtschaftlich Begünstigter seinen Wohnsitz in diesen Gebieten hat, hiervon umfasst, solange die jeweilige Investition die im Folgenden aufgeführten Voraussetzungen erfüllt. Der wirtschaftlich Begünstigter ist nach wie vor die natürliche Person, welche mindestens 25% Inhaberschaft am Gesellschaftskapital, der Stimmrechte oder andere Mittel der direkten oder indirekten Kontrolle besitzt.

Die Investitionen eines solchen Investors mit Sitz innerhalb der EU sind für den genannten Übergangszeitraum genehmigungspflichtig, solange die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Abschluss der Investition erfolgt spätestens am 30. Juni 2021 und, da keine Übergangsbestimmung getroffen wurde, unabhängig davon, ob bereits vor dem 19. November 2020 ein verbindlicher Vertrag zwischen den Parteien vorlag.
  • Das Zielunternehmen ist in einem der dem Kontrollmechanismus unterliegenden Sektoren tätig, ohne dass die subjektiven Kriterien gemäß Artikel 7 bis 3 des Gesetzes 19/2003 eingreifen, und die Investition:
    • Richtet sich in ein börsennotiertes Unternehmen in Spanien, wobei diese als Unternehmen definiert werden, deren Aktien ganz oder teilweise zum Handel an einem offiziellen spanischen Sekundärmarkt zugelassen sind und ihren Sitz in Spanien haben; oder
    • Richtet sich in ein nicht börsennotiertes Unternehmen, wenn der Investitionswert 500 Millionen Euro übersteigt.
  • Die Investitionstätigkeit fällt unter die Definition von „direkten Auslandsinvestitionen“, d. h. Investitionen, „aufgrund derer der Investor einen Anteil von mindestens 10% des Grundkapitals der spanischen Gesellschaft oder, infolge der Gesellschaftsoperation oder des Rechtsgeschäfts, die Kontrolle über die Gesellschaft gemäß den in Artikel 7.2 des Gesetzes 15/2007 vom 3. Juli, gegen den Unlauteren Wettbewerb dargestellten Kriterien erwirbt.“

Neue Definition des Begriffs der ausländischen Direktinvestition

Die im November in Kraft getretenen Neuerungen führen des weiteren (nicht nur übergangsweise) zu einer Änderung der Definition des objektiven Elements im Begriff der ausländischen Direktinvestition: Nicht nur wird vorübergehend (wie oben dargestellt) das subjektive Element der Ausländereigenschaft des Investors auf EU-Inländer ausgeweitet. Es wird auch das in Artikel 7 bis 1 des Gesetzes 19/2003 enthaltene objektive Element der Definition der „ausländischen Direktinvestitionen“ für Investoren mit (Wohn-)Sitz außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums angepasst.

Hier wird zwar die quantitative Schwelle für die Beteiligung am Grundkapital der spanischen Gesellschaft von 10% beibehalten. Jedoch wird das alternative Kriterium, welches die Transaktion dann als Investition einstufte, wenn der Anleger sich durch diese effektiv an der Verwaltung oder Kontrolle des Zielunternehmens beteiligen konnte, durch das Kriterium ersetzt, dass der Anleger „infolge der  Gesellschaftsoperation oder des Rechtsgeschäfts die Kontrolle über die Gesellschaft gemäß den in Artikel 7.2 des Gesetzes 15/2007 vom 3. Juli, gegen den Unlauteren Wettbewerb dargestellten Kriterien erwirbt.“

Folglich ist das qualitative Unterwerfungskriterium enger umgrenzt, da eine wirksame Beteiligung am Management allein nicht mehr ausreicht, damit die Transaktion als genehmigungspflichtige Investition einzustufen ist. Vielmehr ist eine Genehmigung nach dem jetzt gültigen Gesetzestext nur notwendig, wenn ein Erwerb von Kontrolle vorliegt, was im Widerspruch zur Aufrechterhaltung der quantitativen Schwelle von 10% Anteilserwerb steht, welche normalerweise nicht zur Kontrolle über das betreffende Unternehmen führt.

Gleichzeitig scheint der Verweis auf Artikel 7.2 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb eine Erweiterung der Annahmen oder Mechanismen, die zum Erwerb der Kontrolle führen können, mit sich zu bringen. So verwies die seit März bestehende Regelung auf den Kontrollbegriff in Artikel 42 des spanischen Handelsgesetzbuchs verwies. Artikel 7.2 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb beinhaltet jedoch eine weitergehende Definition der Kontrolle durch die indirekte Bezugnahme auf die Kriterien von Artikel 42 des Handelsgesetzbuches sowie der Definition der Kontrolle, welche sich aus „Verträgen, Rechten oder anderen Mitteln ergibt, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit einer entscheidenden Einflussnahme auf das Unternehmen mit sich bringen.“

Genehmigungserfordernis für bestimmte neu definierte Sektoren

Allein das Vorliegen einer ausländischen Direktinvestition in Spanien macht die Genehmigung jedoch noch nicht erforderlich, sondern vielmehr muss diese in ein Unternehmen mit Aktivität in einem der explizit aufgezählten Sektoren erfolgen. Drei der seit der Gesetzesänderung im März 2020 explizit aufgelisteten Sektoren, in denen ausländische Investitionen einer Genehmigung bedürfen, wurden durch das Gesetzesdekret vom November 2020 nunmehr wie folgt neu definiert:

  • Kritische Technologien und Güter mit doppeltem Verwendungszweck, einschließlich künstlicher Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cyber-Sicherheit, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung, Energiespeicherung, Quanten- und Nukleartechnologien sowie Nanotechnologien und Biotechnologie: Der Anwendungsbereich dieser Norm wird erweitert, da nun auch „Schlüsseltechnologien für die industrielle Führung und Ausbildung sowie Technologien, die im Rahmen von Programmen und Projekten entwickelt wurden, die für Spanien von besonderem Interesse sind, darunter Telekommunikation, künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigungstechnologien, Quanten- und Kernenergiespeicherung, Nanotechnologien, Biotechnologien, fortschrittliche Materialien und fortschrittliche Fertigungssysteme“ umfasst werden und der Verweis auf die Verordnung (EG) Nr. 428/2009 des Rates gestrichen wird.
  • Versorgung mit essenziellen Rohstoffen, insbesondere Energie und Lebensmittel: Dieser Sektor wird um die Einbeziehung „derjenigen Unternehmen, die sich strategischen Dienstleistungen der Konnektivität und Anbindung widmen,“ erweitert.
  • Kommunikationsmedien: Hier wird ein letzter Absatz wird in die Definition des Mediensektors eingefügt, wonach auch audiovisuelle Kommunikationsdienste im Sinne des Gesetzes 7/2010 vom 31. März, der Allgemeinen Audiovisuellen Kommunikation den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegen.

Nicht zuletzt wird die spanische Regierung auch befugt, „durch Verordnung die Sektoren und die Beträge festzulegen, unter deren Grenzwert ausländische Direktinvestitionsgeschäfte aufgrund ihrer geringen Auswirkung auf geschützte rechtliche Vermögenswerte“ von der vorherigen Genehmigungspflicht ausgenommen sind und die Definition der zu kontrollierenden Sektoren einzuschränken.

Das Ministerium für Industrie, Handel und Tourismus wird ermächtigt, die erforderlichen Standards für die ordnungsgemäße Umsetzung und den Erlass der von der Regierung in diesem Rahmen zu entwerfenden Verordnungen zu definieren.

Genehmigungserfordernis für bestimmte Investoren

Wie schon in unserer Veröffentlichung im Juli 2020 erläutert, sah der dritte Absatz des neu eingefügten Art. 7 bis vor, dass Investitionen in Spanien von bestimmten ausländischen Investoren immer der Genehmigung bedürfen, unabhängig davon, ob in einem sicherheitsrelevanten Sektor investiert wird. Hiervon umfasst waren nach der bis 19. November 2020 gültigen Gesetzeslage:

  • Investoren, die mittelbar oder unmittelbar durch eine Regierung eines Drittstaats, einschließlich deren Körperschaften oder der Streitkräfte, kontrolliert werden;
  • Investoren, die in einem anderen Mitgliedstaat Investitionen getätigt oder sich an Aktivitäten in Sektoren beteiligt haben, die die öffentliche Sicherheit und die Ordnung sowie die öffentliche Gesundheit in einem anderen Mitgliedstaat betreffen, insbesondere oben genannte Sektoren; oder
  • Investoren, gegen die in einem anderen Mitgliedstaat oder im Herkunftsstaat oder in einem Drittstaat ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren wegen krimineller oder illegaler Aktivitäten eingeleitet wurde.

Zwei dieser drei Kriterien sind neu definiert worden, so dass nun im ersten und dritten Fall ab dem 19. November 2020 eine Genehmigung erforderlich ist, wenn die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

  • In der ersten Fallgruppe wird das Kriterium der Kontrolle, welches zuvor gemäß Art. 42 des Handelsgesetzbuches bestimmt wurde, durch die Voraussetzungen des Art. 7.2 des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb ersetzt. Dies führt zu einer Erweiterung des Anwendungsbereiches der Norm, da, wie oben erläutert, eine Kontrolle des Investors sich auch aus „Verträgen, Rechten oder anderen Mitteln ergibt, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit einer entscheidenden Einflussnahme auf das Unternehmen mit sich bringen.“
  • Der Bezug auf Investoren wird erweitert, da nicht nur solche umfasst sind, gegen die in einem anderen Mitgliedstaat oder im Herkunftsstaat oder in einem Drittstaat ein Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren wegen krimineller oder illegaler Aktivitäten eingeleitet wurde. Umfasst sind nach der neuen Rechtslage auch solche Investoren, in deren Fall ein ernstes Risiko einer solchen kriminellen oder illegalen Aktivität besteht.

Genehmigungsverfahren in der Praxis

Grundsätzlich ist in den einschlägigen Fällen eine vorherige Genehmigung zur vollständigen rechtskräftigen Abwicklung der Transaktion notwendig, welche die Behörde innerhalb von höchstens sechs Monaten erteilen muss. In der Praxis wird die Genehmigung wohl schneller erteilt werden, allerdings ist ein Zusammenspiel mit den EU-Kontrollmechanismen weder geregelt noch vorhersehbar.

Übergangsweise und bis zum Erlass der entsprechenden Verordnungen greift ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren ein, wonach die Anträge für vor dem 19. März 2020 geschlossene Transaktionen zwecks deren Abschluss sowie Transaktionen von einem Betrag von bis zu fünf Millionen innerhalb von 30 Tagen mit behördlicher Entscheidung beantwortet werden müssen.

In beiden Verfahren ist das behördliche Schweigen als negativ zu werten.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die im November in Kraft getretenen Gesetzesänderungen sehen trotz bestehender Zweifel an der Interpretation der im März erlassenen Normen keine Änderungen bzw. Verbesserungen für bestimmte kritische Vorschriften vor. So gab es keine Änderungen der sensiblen Sektoren, deren Anwendungsbereich Zweifel in der Auslegung hervorgerufen hatte, wie die „Sektoren mit Zugang zu sensiblen Informationen, insbesondere zu persönlichen Daten“: Diese Regelungen können nunmehr lediglich durch ministeriale Verordnung jederzeit eingeengt werden.

Es wurde keine Übergangsregelung mit Blick auf den Brexit und den Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union geschaffen, womit britische Investoren ab dem 31.12.2020 denen mit Sitz außerhalb der Europäischen Union gleichzustellen sein werden.

Das Genehmigungsverfahren ist nicht korrigiert worden, wonach die spanischen Behörden innerhalb von sechs Monaten die Genehmigung erteilen oder verweigern müssen. Der Gesetzgeber hat weder berücksichtigt noch reguliert, dass seit dem 11. Oktober 2020 die Europäische Verordnung zur „Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union“ gilt (EU-Verordnung 2019/452 vom 19. März 2019) in Kraft ist, welche einen Mechanismus zur gemeinsamen Kontrolle der Mitgliedstaaten schafft und wonach der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedsstaaten während des Verfahrens die Gelegenheit gewährt werden muss, Bemerkungen zur jeweiligen Investition zu formulieren.

Vor dem Hintergrund der hier aufgeführten immer noch bestehenden Unklarheiten und Widersprüche sowie der anhaltenden sanitären Krise und der damit zu erwartenden wirtschaftlichen Krise und Neustrukturierung in gewissen Sektoren wird man mit weiteren gesetzlichen Änderungen auch in den kommenden Monaten rechnen müssen. Ausländischen Investoren in Spanien empfehlen wir daher nach wie vor, eine Investition sorgfältig zu planen und bei etwaigen Zweifeln eine Genehmigung ad cautelam zu beantragen.